Zentralrat Deutscher Sinti und Roma verurteilt die Verharmlosung der Gefahren des Rechtsextremismus durch die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Livia Járóka

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma zeigt sich fassungslos über die Rede von Livia Járóka, Vizepräsidentin im Europäischen Parlament und ungarische Abgeordnete der FIDESZ-Partei in der  Gruppe der Europäischen Volkspartei.  In ihrer Rede während der „Europäischen Roma Plattform“ am 28. November in Brüssel verharmloste Járóka die Gefahren von Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Europa, so Zentralratsvorsitzender Romani Rose.  

Livia Járóka hob in ihrer Rede die vorgeblich ‚positiven Absichten‘ der rechtsextremen Parteien gegenüber Roma hervor, nachdem sie zuvor von diesen Parteien zur Vizepräsidentin gewählt worden war.  Insbesondere erklärte sie, dass sich die rechtsextreme ungarische Partei Jobbik seit einigen Monaten pro-Roma und pro-jüdisch äußern würde und Jobbik in keiner Weise mehr antisemitisch sei.  Der Zentralrat verurteilt ausdrücklich diese skandalöse Verharmlosung und Rehabilitierung dieser antiziganistischen und antisemitischen Partei, die zu Hass und Gewalt beiträgt, völkisches Denken propagiert und damit eine gesellschaftliche Spaltung betreibt. Mit derartigen Äußerungen dient sich Járóka bei den rechtsextremen und nationalistischen Parteien im Europäischen Parlament an.

Der Zentralratsvorsitzende Romani Rose wandte sich in einem persönlichen Brief an Vizepräsidentin Járóka und forderte sie auf die rechtsextremen Parteien nicht in die Mitte der Gesellschaft zu tragen.  „Alle demokratischen Parteien müssen eine rote Linie ziehen und jede Form von Antiziganismus, Antisemitismus und Rassismus ächten, um damit den Rechtsstaat gegen Rechtspopulisten und Rechtsextremisten zu verteidigen.“, so Rose.

Aktuelle Studien und Dokumentationen zeigen auf, dass Antiziganismus längst nicht mehr nur am rechten Rand der Gesellschaft zu finden sind, sondern auch Parteien und Vertreter der gesellschaftlichen Mitte oftmals zum antiziganistischen öffentlichen Diskurs beitragen und damit rechte Positionen legitimieren und stärken.

Járóka wurde am 15. November 2017 mit 290 Stimmen zur Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes gewählt. Járóka, die bereits von 2004 bis 2014 Mitglied des Europäischen Parlamentes war und erst im September 2017 ins Parlament nachrückte, betont in der Öffentlichkeit selbst ihre Zugehörigkeit zur Minderheit der ungarischen Roma.  Die schwedische Abgeordnete Soraya Post (S&D), ebenfalls Angehörige der Roma-Minderheit, wies während der Europäischen Roma Plattform deutlich auf die Gefahren des Rechtsextremismus für Sinti und Roma, wie auch für die Demokratie in Europa hin.  Sie erklärte, dass Sozialdemokraten, Grüne und Linke die Wahl von Járóka zur Vizepräsidentin bewusst nicht unterstützten, da die ungarische FIDESZ-Partei mit Kampagnen Angst und Vorurteile gegen Flüchtlinge schüre und die europäischen Werte und den Grundsatz der Solidarität verletze.

Tiefe Anerkennung drückt der Zentralrat aus für die deutlichen Worte der EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Frau Vera Jourova, welche im Rahmen der Konferenz am Dienstag die Bekämpfung von Antiziganismus und Rassismus noch einmal als zentrale Aufgabe von Politik und Gesellschaft benannte.

 

Hintergrundinformationen für Redakteure

Die jährlich stattfindende Konferenz „European Roma Platform“ ist eine Dialogplattform der Europäischen Kommission für den Dialog mit EU-Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft über die Umsetzung des „EU-Rahmens für nationale Roma Integrationsstrategien“. Thema der diesjährigen Konferenz war der Übergang von Bildung zu Beschäftigung und damit die Beendigung der strukturellen Schulsegregation in zahlreichen europäischen Ländern, sowie die Bekämpfung von Antiziganismus und Diskriminierung im Bildungs- und Beschäftigungsbereich.

In den letzten Jahren hat das Europäische Parlament wichtige Schritte unternommen, um die politische Wahrnehmung und Ächtung des Antiziganismus durchzusetzen.  So stellte die Resolution 2015 einen Meilenstein für die Minderheit dar.  Darin fordert das Parlament die EU-Mitgliedsländer dazu auf, den Holocaust an Sinti und Roma und den Antiziganismus als Ursache der heutigen Situation ausdrücklich anzuerkennen.  In diesem Jahr folgte der Bericht zur Bekämpfung von Antiziganismus in der EU, in dem die Ursachen, Wirkungsmechanismen und Auswirkungen des Antiziganismus untersucht, aber auch Handlungsstrategien für Regierungen und europäische Institutionen entworfen werden.  Nicht nur die offen sichtbaren, sondern auch die unsichtbaren Mechanismen des Antiziganismus werden thematisiert, die bis heute oft noch das Denken und Handeln von politischen Entscheidungsträgern und Institutionen bestimmen.

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