Eine rassistische Bemerkung auf einem Formblatt für Wohnungssuchende sorgte vor einigen Tagen für heftige Kritik an der Wohnungsgenossenschaft Hameln (WGH) / Niedersachsen. Ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin der WGH hatte einer 68-Jährigen eine Bescheinigung über eine vergebliche Bewerbung auf eine Zweizimmerwohnung übersandt. Neben den persönlichen Daten stand nicht nur der Satz „Es liegen derzeit keine Angebote vor“, sondern auch die Bemerkung „1 Pers.; leichter Zigeunereinschlag; besser nichts anbieten“ – offenbar ein interner Vermerk, der nicht nach außen dringen sollte.
Die Hamelerin war sprachlos und empört. Ihre Mutter und andere Familienmitglieder seien in der NS-Herrschaft als „Zigeuner“ verfolgt, in Konzentrationslager gesperrt oder von den Nazis ermordet worden. Die rassistische Bemerkung trifft sie damit umso mehr, heißt es im Artikel auf stern.de.
Der Fall zieht größere Kreise. Denn nun haben viele Sinti und Roma das schwarz auf weiß, was viele vermuten, aber nur selten belegen können: Auch acht Jahrzehnte nach der Verfolgung der Minderheit durch die Nationalsozialisten werden Sinti und Roma in Deutschland weiterhin benachteiligt.
Es gebe nach wie vor eine Form von alltäglicher Diskriminierung, sagte Herbert Heuß vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in Deutschland gegenüber der Nordwest-Zeitung: Es passiere immer wieder, sagt der wissenschaftliche Leiter des Zentralrats: Mal ist es eine junge Frau, die auf einem Computermonitor in einem südwestdeutschen Jobcenter einen entsprechenden Vermerk gesehen haben will. Mal ein Bewerber, bei dem die passenden Jobs trotz Qualifikation immer plötzlich vergeben sind. Doch einen so klar dokumentierten Fall wie in Hameln gebe es nur selten.
Deshalb hat der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma diesen Fall mit erheblicher Sorge zur Kenntnis genommen. Denn dieser Vorfall stellt eine massive Diskriminierung der betroffenen Person dar, die mittelbar die gesamte Minderheit trifft.
Der Zentralrat wandte sich deshalb direkt an den Vorstand der Wohnungsgenossenschaft Hameln. Er möchte erfahren, ob es sich tatsächlich nur um eine „einmalige Fehlleistung“ (Aussage der Wohnungsgenossenschaft) handelt oder ob womöglich dahinter eine Systematik steckt. Darüber hinaus erwartet er, dass die Mitarbeiter angewiesen und gegebenenfalls auch entsprechend geschult werden müssten, damit diskriminierende und rassistische Kategorisierungen und Ausschlußverfahren jedweder Art in Zukunft unterlassen werden.
Der Minderheitenrat schließt sich dem an und begrüßt den direkten Kontaktaufbau des Zentralrats mit der Wohnungsgenossenschaft. Der Vorsitzende des Minderheitenrates Jon Hardon Hansen äußerte sich überaus kritisch zum Vorfall: „Es ist einfach unfassbar, was passiert ist. Es bestätigt jedoch nur, was wir alle wissen: Sinti und Roma werden bis heute in unserer Gesellschaft diskriminiert. Deshalb war es auch höchste Zeit, dass die Expertenkommission Antiziganismus beim Deutschen Bundestag ins Leben gerufen wurde. Genau solche Vorfälle wie in Hammeln müssen dort thematisiert und Schlussfolgerungen gezogen werden.”
Schon die Formulierung des Vermerks „leichter Zigeunereinschlag“ ist unfassbar und erschreckend. Der Minderheitenrat teilt die Empörung des Zentralrates und dessen Erwartungen: „Es ist beschämend! Leider leben wir wieder in einer Zeit, in der rechtspopulistisches Gedankengut in der Bevölkerung Anklang findet. Umso wichtiger ist es, dass der Rechtsstaat die Diskriminierung der Sinti und Roma in Deutschland wirksam verfolgt, um zu verhindern, dass die Gesellschaft nicht wieder einen Weg einschlägt, auf dem Menschen anderer Ethnien ausgegrenzt, verfolgt und verachtet werden“, fordert der Vorsitzende des Minderheitenrates Jon Hardon Hansen, Däne aus Südschleswig.
Quelle: Pressemitteilung des Minderheitenrats vom 10.04.2019
Weiterführende Presseartikel zum Thema:
taz.de Diskriminierung bei Wohnungssuche: „Zigeuner“ abgelehnt
Neue Osnabrücker Zeitung: Antiziganismus in Hameln: Keine Wohnung für Frau mit „Zigeunereinschlag“
Nordwest-Zeitung: Antiziganismus: Sinti empört über Diskriminierung
Stern.de: Wohnungssuche in Hameln: „Leichter Zigeunereinschlag“ – Genossenschaft lehnt Bewerberin mit rassistischer Bemerkung ab