Martin Stöhr war einer der frühen Unterstützer der Bürgerrechtsarbeit von Sinti und Roma. Auf mehreren Kirchentagen und im Dialog mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma setzte sich Stöhr für die Anerkennung des NS-Völkermords an den Sinti und Roma Europas ein. Romani Rose würdigte Martin Stöhr als einen Freund, der immer wieder Sinti und Roma in den christlich-jüdischen Dialog einbezogen hat. Nachfolgend der Nachruf des Deutschen Koordinierungsrats der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit :
Versöhner zwischen Juden und Christen verstorben. „Seine Stimme wird fehlen!“ – Trauer um Martin Stöhr
Der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR) trauert um seinen früheren Präsidenten und Ehrenvorsitzenden Martin Stöhr. Der Theologe starb am Mittwoch, den 4. Dezember im Alter von 87 Jahren. Von 1965 bis 1984 war er neben Pater Dr. Willehad Paul Eckert und Landesrabbiner Nathan Peter Levinson der evangelische Präsident des DKR und ab 2017 bis zu seinem Tod Ehrenvorsitzender. Rabbiner Andreas Nachama, jüdischer Präsident des DKR, nahm das Wirken von Martin Stöhr für den DKR über lange Zeit als Motor und Schrittmacher des Christlich-Jüdischen Dialogs und großen Kämpfer gegen alten und neuen Antisemitismus wahr. Die Gestaltung der Woche der Brüderlichkeit mit der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille hat er wesentlich mitgeprägt.
Martin Stöhr war ein national wie international geachteter Pionier des jüdisch-christlichen Dialogs. So war er von 1990 bis 1998 auch Präsident des Internationalen Rates der Christen und Juden (ICCJ) und bis zu seinem Tod ICCJ-Ehrenpräsident. Wie kaum ein anderer hat er sich in der Nachkriegszeit um eine neue theologische Ausrichtung des christlich-jüdischen Verhältnisses verdient gemacht. Schon während seines Studiums erkannte er, dass der jahrhundertalte kirchliche Antijudaismus und das Versagen in Kirche und Theologie insbesondere im Blick auf die Shoa aufzuarbeiten sei. Dabei ging es ihm um eine Theologie, die die jüdischen Wurzeln des Christentums anerkennt und gleichzeitig ohne christliche Überheblichkeit auskommt.
„Seine Stimme wird fehlen“, so der evangelische Präsident des DKR, Pfarrer Friedhelm Pieper. „Er war auch mein Lehrer und hat mich und viele andere in unserem Themenfeld tief geprägt. Zugleich war er immer ein wacher politischer Geist, trat in ökumenischer Weite für Gerechtigkeitsfragen ein. Er blieb bis zuletzt unabhängig und kritisch und versuchte auf seine Weise, einen biblischen Humanismus im Sinne Martin Bubers zu leben und zu gestalten.“
Der frühere jüdische Präsident des DKR, Landesrabbiner em. Henry G. Brandt fasst die Bedeutung Martin Stöhrs zusammen: „Ein Eckpfeiler unserer Arbeit ist nicht mehr. In der Geschichte unseres Koordinierungsrates wird er mit Dank und Anerkennung fortleben. Ich trauere um ein großes Vorbild. Das Gedenken an Martin Stöhr sei uns zum Segen.“
Zur Person: Martin Stöhr (Quelle: EKHN)
Martin Stöhr wurde 1932 in Singhofen (Rhein-Lahn-Kreis) als Sohn eines Pfarrerehepaars geboren. Nach dem Abitur in Bad Ems studierte er von 1951 bis 1956 evangelische Theologie und Soziologie in Mainz, Bonn und Basel. Sein Vikariat, die Ausbildung zum Pfarrer, absolvierte er in Rüsselsheim. Er war dann Pfarrer in Wiesbaden-Amöneburg. Nach seiner Ordination zum Pfarrer war er von 1961 bis 1969 Studentenseelsorger an der Technischen Universität Darmstadt. Von 1969 bis 1986 übte er das Amt des Direktors der Evangelischen Akademie von Arnoldshain aus. Von 1986 bis 1997 lehrte er als Professor für Systematische Theologie an der Universität-Gesamthochschule Siegen. Von 1968 bis 1985 war er zudem Mitglied der Kirchensynode der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau.
Daneben fungierte er von 1965 bis 1984 als Präsident des „Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit“. Danach war er von 1990 bis 1998 Präsident des „International Council of Christians and Jews“. Stöhr ist ebenso ist er Mitbegründer von „Studium in Israel („Stil“). In den Jahren 1978 bis 1994 war er zunächst Vorsitzender des Arbeitskreises, später dann des Vereins von „Stil“; dann wurde er zum Ehrenvorsitzenden des Vereins berufen. Von 1967 bis 1975 und von 1976 bis 1991 war er Mitglied der Studienkommissionen „Kirche und Judentum“ 1 und 2 der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD); darüber hinaus war er jahrelang Mitglied der Evangelischen Mittelost-Kommission (EMOK) der EKD. Für seine Verdienste erhielt er neben der Martin-Niemöller-Medaille bereits 1983 die theologische Ehrendoktorwürde der Universität Heidelberg und 1984 die Hedwig-Burgheim-Medaille der Stadt Gießen. Stöhr lebte zuletzt in Bad Vilbel.
Hinweis
Die Trauerfeier findet am Montag, 16. Dezember um 13 Uhr in Bad Vilbel, Trauerhalle (Lohstrasse 84) statt.
Das Präsidium des Deutschen Koordinierungsrats der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit
V.i.S.d.P. Pfarrerin Ilona Klemens, Generalsekretärin
Quelle : Deutscher Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit