Datum
02.03.2018
19:00 - 21:00 Uhr
Veranstaltungsort
Galerie Kai Dikhas
Prinzenstraße 84.2
10969 Berlin
LAUFZEIT | 03. März bis 28. April 2018 |
ÖFFNUNGSZEITEN | Mittwoch bis Samstag 14-18 Uhr u.n.V. |
Ceija Stojka (1933 – 2013) ist eine Pionierin der Kunstszene der Sinti und Roma. Als Autodidaktin begann sie in den frühen 1990er Jahren damit, ihre Erinnerungen an die Zeit der Internierung in den Konzentrationslagern Auschwitz, Ravensbrück und Bergen-Belsen sowohl literarisch als auch künstlerisch zu verarbeiten. Mit unermüdlichem Einsatz war Ceija Stojka bemüht, in der Öffentlichkeit wie auch in Schulen, in Büchern, Ausstellungen und ihrer Kunst auf das den Roma angetane Unrecht hinzuweisen. Oft werden ihre beiden wichtigsten malerischen Zyklen, die hellen und die dunkeln Bilder, getrennt betrachtet. Einmal ihre oftmals farbenfrohen Kindheitserinnerungen mit Blumen- und Landschaftsbildern und zum anderen die meist in monochromem Schwarz-Weiß gehaltenen Erinnerungen an die Verfolgung während der Zeit des Nationalsozialismus. Dies ist jedoch ein Fehler. Beide Werkszyklen stehen eindeutig gleichermaßen unter dem Eindruck der Verfolgungsgeschichte. Die Einordnung der „Hellen Bilder“, ihrer Blumenbilder, in schlicht naive Malerei zeugt von falscher und letztendlich oberflächlicher Betrachtung. Diese Bilder, die die Schönheit in ihren Augen erfahren lassen, sind die affirmative Wiederaneignung, ja mehr noch die Wiedererschaffung einer zerstört daniederliegenden Welt.
Es ist dieser Impuls, der der Kunst Ceija Stojkas eine besondere Kraft gibt. Denn ihre Kunst ist nicht bloß eine mahnende Erinnerung an die Gräuel und an die Tatsache, dass, wie sie es sagte, „Auschwitz nur schläft“. Ihre Werke sind keineswegs nur Dokumente der Verfolgung einer Überlebenden, sondern sie sind kongeniale Bildfindungen für das erlittene Leid, welche uns an dem unermesslichen Verlust, den die Minderheit erlitten hat, auf ergreifende Weise teilhaben lassen, mehr noch als es die einfache Wiedergabe der Fakten je erreichen würde. Untrennbar dazu gehört aber der andere Zyklus, in dem Ceija Stojka ihre Nachfahren an eine durch die Verfolgung zerstörte Welt erinnert, sie sich selbst die Farben nimmt, um sie wieder zu erschaffen. Sie ruft nicht nur nach den Rechten der Roma, sondern sie ist in ihrer Kunst selbst bemüht, eine Welt zu schaffen, in der wir uns alle wiederfinden können. Im Hause der bekannten Familie Stojka war stets der Tisch gedeckt. Die Künstlerin war zeitlebens gerühmte Gastgeberin und auch Köchin. Doch sogar dies ist mit dem Trauma des erlittenen Hungers nicht unverbunden. Ein Werk der Künstlerin ist ein Bild eines Baumes im Schnee, am Weihnachtstag auf einen Tortenuntersetzer gemalt. Doch sogar dieses kleine Werk ist mit ihrer Signatur versehen, einem gezeichneten Ast des Baumes in Bergen-Belsen, dessen Harz und Rinde das inhaftierte Kind Ceija 1945 vor dem Verhungern bewahrte. Wenn Ceija Stojka das Bild einer „reifen Frucht“ malt, so ist der erfahrene Hunger genauso abgebildet. Ceija Stojka setzt einer negativen Welt eine lebensbejahende Antwort entgegen,eine Strategie, mit der man sich ganz sicher auch der neurechten Bewegung und der neuerlich auf Verneinung und Ausgrenzung beruhenden Politik wird erfolgreich erwehren können.
Fünf Jahre nach dem Tod Ceija Stojkas wird deutlich, welch großes Werk und welch große Wirkung die Künstlerin hinterlassen hat. Parallel zur Ausstellung „Ein Leben danach, nach Auschwitz!“ in der Galerie Kai Dikhas in Berlin ist mit der Ausstellung im Pariser La Maison Rouge „Die Roma-Künstlerin des Jahrhunderts“ der Künstlerin die möglicherweise umfangreichste und bedeutendste Retrospektive, die einer Künstlerin der Minderheit je gewidmet wurde, zu sehen. Auch mit dieser Resonanz ist Ceija Stojka eine Vorläuferin ihrer Künstlerkolleginnen und -kollegen, der anstehenden Entdeckung der Qualität der zeitgenössischen Kunst ihrer Minderheit durch die breite Mehrheit.
Moritz Pankok, Kurator
Ich male meine Erinnerungen und Gefühle. Und ich zeige den Menschen meine Welt – unter anderem als Angehörige der Lovara-Roma. Jeder Rom und jeder Sinti ist ein ganz eigener Künstler und stolzer Träger der Kultur, die nicht sterben soll. Ich appelliere an alle, das Romanes nicht zu vergessen, die Sprache zu pflegen und die Kultur an die Kinder weiterzugeben. Um unsere Kultur aufrechtzuerhalten, müssen wir ein Bewusstsein schaffen und den Willenhaben, auch andere daran teilhaben zu lassen. Es ist wichtig, bemerkt und verstanden zu werden, und gerade diese Funktion kann die Kunst einnehmen. Sie kann aufzeigen und vermitteln. Egal, ob es sich um Bilder oder Musik handelt: Kunst muss im öffentlichen Raum geschehen, damit etwas sichtbar wird und Menschen zueinanderfinden.
Wir sind Menschen wie alle anderen, und die Kunst kann dazu beitragen, dasswir atmen und leben dürfen.
C e i j a S t o j k a
Vorwort zu Katalog 2 der Galerie Kai Dikhas, ihrem letzten veröffentlichten Text