Veröffentlichung des Fritz-Bauer-Instituts mit dem Themenschwerpunkt „Antiziganismus in Deutschland“

Bulletin des Fritz Bauer Instituts, Ausgabe 20, 11. Jahrgang, November 2019 © Fritz Bauer Institut, Stiftung bürgerlichen Rechts, An-Institut der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Der Themenschwerpunkt des jährlichen Magazins „Einsicht“ des Fritz-Bauer-Instituts in Frankfurt a.M. ist in diesem Jahr „Antiziganismus in Deutschland“. Vier Texte, u.a. von Karola Fings und Markus End, und ein Interview mit Andre Raatsch, dem Leiter des Referats Dokumentation des Kultur- und Dokumentationszentrums Deutscher Sinti und Roma befassen sich sowohl mit der Geschichte der Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus als auch mit dem Schicksal der Überlebenden in der Bundesrepublik und in der DDR. Ein Beitrag fragt nach der »Gegenwart des Antiziganismus in Deutschland«.

Als »Fremdrasse« stigmatisiert, waren Sinti und Roma – von den Kindern bis zu den Greisen – im Nationalsozialismus rassistischer Politik ausgesetzt. Was das bedeutete, legt Karola Fings in ihrem Beitrag eingehend dar. Sie richtet den Blick auf Kommunen und Bezirke und zeichnet nach, welch hohen Anteil lokale Funktionäre schon seit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten daran hatten, dass die Verfolgten in »Zigeunerlager« gepfercht, nach Kriegsbeginn »in den Osten« verschleppt und schließlich zu tausenden in Auschwitz-Birkenau ermordet wurden. Katharina Stengel befasst sich mit der Situation der überleben-den Sinti und Roma, die nach Kriegsende in die Orte zurückkehrten, in denen sie einst gelebt hatten. Wie trügerisch ihre Hoff nung war, hier wieder Heimat und Auskommen zu fi nden, stellte sich rasch heraus. Entschädigungsleistungen blieben ihnen in der Bundesrepublik Deutschland jahrzehntelang vorenthalten, und die in der NS-Zeit angelegten »Zigeunerpersonalakten« der Kriminalpolizei wurden in den Behörden kurzerhand weitergeführt. Die DDR pflegte kaum einen anderen Umgang mit den wenigen überlebenden Sinti und Roma, die sich dort niederließen – trotz des programmatischen staatlichen Bekenntnisses zum Antifaschismus, wie Katharina Lenski zeigt. Michael End erläutert die komplexe Diskussion, die sich um den Begriff »Antiziganismus«, um das Wortpaar »Sinti und Roma« sowie weitere Termini rankt. Und er richtet den Blick auf den gegenwärtigen Antiziganismus in der Bundesrepublik, der unter dem Schlagwort von der »Armutszuwanderung« grassiert. André Jenö Raatzsch beschreibt im Interview Konzept und Besonderheit des im Januar 2019 online gegangenen RomArchive, einem digitalen Archiv, das Auskunft über die von Sinti und Roma geprägten Künste und Kulturen gibt. Teil des RomArchive ist die Sammlung »Voices of the Victims«, einer einzigartigen Zusammenstellung aller Schriftdokumente, die aus der Zeit der NS-Verfolgung oder kurz danach von Sinti und Roma überliefert sind.


Das Fritz Bauer Institut

Im Jahr 1995 – fünfzig Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus – wurde in Frankfurt am Main die Stiftung »Fritz Bauer Institut, Studien- und Dokumentationszentrum zur Geschichte und Wirkung des Holocaust« gegründet. Das Institut ist ein Ort der Auseinandersetzung unserer Gesellschaft mit der Geschichte des Holocaust und seinen Auswirkungen bis in die Gegenwart. Es trägt den Namen Fritz Bauers, des ehemaligen hessischen Generalstaatsanwalts und maßgeblichen Initiators des Frankfurter Auschwitz-Prozesses (1963–1965). Seit 2002 hat das Institut seinen Sitz auf dem Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt am Main.