Erinnerung und Solidarität: Podiumsdiskussion zum Angriff auf Luigi Toscanos Foto-Installation „Gegen das Vergessen“ in Wien.

v.l.: Jan Wysocki, Fachreferent für Antisemitismus im Staatsministerium Baden-Württemberg, Asma Aiad von der Muslimischen Jugend Österreich, Johannah Ilgner, SPD-Stadträtin und aktiv im „Netzwerk gegen Rechts Heidelberg“, Luigi Toscano, Fotograf und Filmemacher aus Mannheim, Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma und Ausstellungsinitiator Peter Schwarz vom psychozialen Zentrum ESRA © Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma

Der Mannheimer Fotograf Luigi Toscano porträtiert Holocaust-Überlebende. Sein Projekt „Gegen das Vergessen“ war schon in New York, Washington DC, Kiew und Berlin zu sehen. Im Frühjahr 2019 wurde die öffentliche Ausstellung jedoch in Wien mehrfach beschädigt und mit rechten Symbolen und Parolen beschmiert. Nachdem sich die Nachricht über den Anschlag verbreitet hatte, brach eine erstaunliche Welle der Solidarität los. Innerhalb kürzester Zeit entstand ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis, ins Leben gerufen von der jungen Caritas, der katholischen und der muslimischen Jugend. Vor allem junge Menschen versammeln sich vor den Porträts, bewachen sie Tag und Nacht, versuchen sie zusammenzunähen. „Ehrlich gesagt, hatte ich das zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr in der Hand“, sagt Toscano.

Im Karlstorbahnhof in Heidelberg diskutierten am 31. Oktober aus diesem Anlass Luigi Toscano, der Wiener Ausstellungs-Initiator Peter Schwarz vom psychozialen Zentrum ESRA, Asma Aiad von der Muslimischen Jugend Österreich, Jan Wysocki, der Fachreferent für Antisemitismus im Staatsministerium Baden-Württemberg, und Romani Rose über Erinnerungskultur und Solidarität in Zeiten des Rechtsrucks in Europa. Moderiert wurde die Veranstaltung von Johannah Ilgner, SPD-Stadträtin und aktiv im „Netzwerk gegen Rechts Heidelberg“.

Asma Aiad von der Muslimischen Jugend Österreich hatte damals spontan mit ihren Freunden das Fastenbrechen in die Wiener Ringstraße verlegt – und startete so eine Mahnwache. „Es sind immer mehr Menschen gekommen, ein Rabbi hat uns Datteln gebracht, die Freiwillige Feuerwehr Betten“, erzählt sie. „Leute kamen vorbei und haben Essen gebracht. Viele haben da ausgeharrt, trotz Kälte und Regen.“

Romani Rose äußerte Bestürzung über die öffentliche Debatte zu rechtsextremen Parteien, u.a. im Zuge der Thüringen-Wahl bei der „links und rechts einfach gleichgestellt wurden.“ Im Kampf gegen Rechtsradikalismus brauche es ein „breites Bündnis aller gesellschaftlichen Kräfte“. Viel zu lange, beklagt er, sei die Gefahr von rechts von den staatlichen Institutionen in Deutschland relativiert und verharmlost worden.

Peter Schwarz, Geschäftsführer des Psychosozialen Zentrums der Israelitischen Gemeinde Wien (ESRA), blickt vor allem auf das zivilgesellschaftliche Engegement. „Die Zerstörung hat den positiven Nebeneffekt, dass sie eine Diskussion und eine große Solidarität ausgelöst hat, die sonst so nicht sichtbar geworden wären.“ Auf die Zivilgesellschaft kommt es an“, sagt auch der Fachreferent für Antisemitismus im baden-württembergischen Staatsministerium, Jan Wysocki. „Wir als Politik können da nur Hilfestellung leisten.“

Enttäuscht zeigt sich Toscano allerdings gerade von der österreichischen Politik und den Behörden. „Die Polizei hat meine Anzeige wenig ernst genommen“, sagt Toscano. Und auch im Vorfeld habe er „von der Politik wenig Unterstützung erfahren“. Asma Aiad kritisierte das ohnehin viele Österreicher mit Migrationshintergrund im Alltag immer wieder diskriminiert würden, ob in der Schule oder später bei der Wohnungssuche. Und auch Schwarz macht keinen Hehl aus seiner Meinung über die ÖVP-FPÖ-Regierung: „Wenn eine demokratische Partei mit einer rechten koaliert, ist das eine Katastrophe.“