Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA)

Ab 2022 werden antiziganistische Vorfälle bundesweit einheitlich dokumentiert und analysiert

In den vergangenen Jahren hat der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma immer wieder die Einrichtung einer zivilgesellschaftlichen Struktur zum Monitoring von Antiziganismus gefordert. 2020 nahm der Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus die Forderung nach der Einrichtung und finanziellen Ausstattung einer solchen Struktur in seinen Maßnahmenkatalog auf. Ab 2022 wird nun mit Förderung des Bundesinnenministeriums eine unabhängige „Melde- und Informationsstelle Antiziganismus“ (MIA) antiziganistische Vorfälle bundesweit einheitlich dokumentieren und analysieren. Auf der neu eingerichteten MIA-Internetseite www.antiziganismus-melden.de können künftig antiziganistische Vorfälle sicher und vertraulich gemeldet werden. Die Meldestelle nimmt auch telefonisch sowie persönlich bundesweit Vorfälle entgegen und baut regionale Netzwerke für Unterstützung, Begleitung und Beratung auf, an die Betroffene für juristische, soziale und psychosoziale Begleitung und Hilfe verwiesen werden können.

„Die Bekämpfung von Antiziganismus ist ein wichtiger Beitrag zur Stärkung unserer rechtsstaatlichen Verfasstheit. MIA trägt zur Festigung unserer demokratischen Werte bei und fördert das Zusammenleben in unserer Gesellschaft.“ Romani Rose.

MIA will mit ihrer Arbeit das Bewusstsein für Antiziganismus schärfen und die Unterstützung von Betroffenen verbessern. Die Aufgabe der Meldestelle besteht darin, die Erscheinungsformen und Ausprägungen antiziganistischer Vorfälle ober und unterhalb der Strafbarkeitsgrenze systematisch zu dokumentieren, auszuwerten und die Folgen für sowie Bedarfe von Betroffenen zu klären. Dadurch soll auf bestehende Lücken und Defizite im Regelsystem aufmerksam gemacht und das Dunkelfeld antiziganistischer Vorfälle in Deutschland erhellt werden.

Die MIA-Bundesgeschäftsstelle wird den Aufbau regionaler Meldestellen und Netzwerke für die Unterstützung von Betroffenen unterstützen. Darüber hinaus sollen staatliche Strukturen und Akteure in Land und Kommunen für das Thema „Erfassung antiziganistischer Straftaten“ und die Bedürfnisse der Betroffenen stärker sensibilisiert werden.

Die Hemmschwelle, Sinti und Roma in Deutschland verbal und physisch anzugreifen, ist weiterhin sehr niedrig, wie die Zahlen der Bundesregierung zu antiziganistischen Straftaten belegen. Seit vier Jahren wird Antiziganismus als eigenständige Kategorie in der Statistik des Bundes für Politisch motivierte Kriminalität (PMK) erfasst. Seitdem haben die Fallzahlen stetig zugenommen und sich mehr als verdreifacht (Fallzahlen: 2017: 41; 2018: 63; 2019: 81; 2020: 128). Doch die deutsche Öffentlichkeit nimmt bislang kaum Notiz vom Ausmaß antiziganistischen Straftaten und die Betroffene bleiben häufig mit dem Erlebten alleine. Die Fallzahlen auf niedrigem Niveau zeigen, dass nur ein Bruchteil der Straftaten von Betroffenen zur Anzeige gebracht wird. Das mangelnde Vertrauen in die Strafverfolgung ist einer von vielen Gründen. Denn allzu oft werden Straftaten von Polizei- und Strafverfolgungsbehörden nicht als antiziganistisch motiviert angesehen oder bagatellisiert. Hinzu kommt das historisch stark vorbelastete Verhältnis von Sinti und Roma zu staatlichen Strukturen, insbesondere zu Polizeibehörden. Das ausgeprägte Misstrauen in staatliche Strukturen ist eng mit der Verfolgungserfahrung von Sinti und Roma im Nationalsozialismus verknüpft. Dabei haben die negativen Erfahrungen – vor allem mit der Polizei – nicht nur die Holocaust-Überlebenden geprägt, sondern auch die nachfolgenden Generationen.

Von der Mehrheitsgesellschaft werden Sinti und Roma kaum als Opfer von Straftaten wahrgenommen. Vielmehr werden sie pauschal mit Kriminalität und unerwünschtem Verhalten in Verbindung gebracht. So wird den Betroffenen oft zumindest eine Teilschuld an dem Erlebten unterstellt oder die Opfer werden zu Tätern verkehrt. Ein öffentliches, breites Bewusstsein für das Ausmaß und die Erscheinungsformen von Antiziganismus besteht trotz zahlreicher Berichte und wissenschaftliche Studien, wie etwa durch den Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus, kaum. Das soll sich mit MIA ändern!