Norbert Giovannini (Hg.): Stille Helfer

Eine Spurensuche in Heidelberg 1933–1945

Rezension von Oliver von Mengersen,
Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma

Es gab sie, die Menschen, die nicht weggesehen haben, die sich gegenüber den Verfolgten des NS-Regimes solidarisch zeigten, sie unterstützten und Hilfe leisteten. Menschen, die Anstand bewahrten und den Mut dazu fanden. In einer Zeit, in der es immer schwieriger und gefährlicher wurde, sich dem Regime zu widersetzen, kommen den
Frauen und Männern, die auch außerhalb der bekannten Widerstandskreise sich dem Risiko der Unterstützung Verfolgter aussetzten, große Verdienste zu. Als „stille Helfer“ bezeichnet der Herausgeber des gleichlautenden Buches, Norbert Giovannini, diese couragierten
Menschen, die es auch in Heidelberg gab und „die es verdienen, dass wir sie im Gedächtnis der Stadt bewahren“.
Dazu dient dieses Buch. Es soll auch für die heutige Zeit Mut machen, sich zu engagieren und für „Verfolgte und Schutzbedürftige“ einzutreten.

Bei der „Spurensuche“, so der Untertitel des Bandes, ist deutlich geworden, wie diffizil es sein kann, Unterstützung und Hilfe zu bewerten, zumal wir uns unter der Alltagsperspektive von der Vorstellung verabschieden müssen, Verfolgung und Ausgrenzung als „monolithisches Gefüge“ wahrzunehmen. Retter konnten auch Täter sein, wie dies am Beispiel des berüchtigten Gestapobeamten Wilhelm Bender deutlich wird. Als „Brandstifters Biedermann“ fand auch er Aufnahme in die „Stillen Helfer“, da es zahlreiche Aussagen Überlebender gab, denen zufolge Bender Deportationen zu verhindern und Anzeigen zu verschleiern gewusst habe.
Fast alle anderen im Buch skizzierten Helfer stehen „im schroffen Gegensatz“ zu Bender. Das Spektrum ihres Verhaltens und Handelns ist groß, es reicht von Gesten der Zuwendung, der Anteilnahme und des Beistandes bis zur Unterbringung und Fluchthilfe sowie der Bildung regionaler und überregionaler Netzwerke. Sie stammten aus dem ärztlichen Milieu, kirchlichen und pädagogischen Kreisen
oder einfach aus der Nachbarschaft. Darunter sind bekannte Leute wie der Pfarrer Hermann Maas, der ein weitverzweigtes Netzwerk von Helfern aufgebaut hatte und in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem als „Gerechter unter den Völkern“ Anerkennung fand. Zu seinen Kontakten zählte neben vielen anderen die ebenfalls bekannte Elisabeth von Thadden, die 1927 ein Internat in Wieblingen gegründet hatte. Sie positionierte sich früh gegen das NS-Regime, und das Internat war zeitweise Unterschlupf für jüdische Mädchen. 1944 wurde sie als
Mitglied des Solf-Kreises zum Tode verurteilt und in der Haftanstalt Plötzensee in Berlin hingerichtet.
Skizzen über die „stillen Helfer“ in der Heidelberg Thoraxklinik und die „gelebte Solidarität Heidelberger Rechtsgelehrter“ geben Auskunft über die Möglichkeiten der Resistenz in spezifischen Milieus einer Universitätsstadt. Aber auch Einzelpersonen werden gewürdigt, wie zum Beispiel die Musikerin Stephanie Pellissier, die sich des jüdischen Ehepaars Alfred und Margarete Polack annahm und in einer
gemeinsamen Wohnung vor den Zugriffen der Gestapo schützte.
Mit einer Ausnahme bezieht sich das Buch auf die Unterstützung jüdischer Verfolgter und auf die jüdische Selbsthilfe und innerjüdische Solidarität. Die Ausnahme ist eine familienbiografische Skizze der deutschen Sinti-Familie Rose. Im Zentrum steht Oskar Rose, der Vater von Romani Rose, der als einziger der Familie der Verhaftung entgehen
konnte. Mit gefälschten Ausweispapieren gelang es ihm, seinen Bruder Vinzenz aus dem KZ Neckarelz zu befreien. Ohne die Mitwirkung Heidelberger Bürger wäre das Unterfangen nicht möglich gewesen. Bei den Helfern in der Klingenteichstraße fanden die Brüder in einem alten Försterhaus Unterschlupf und konnten das „Dritte Reich“ lebend überstehen. Viele ihrer Familienmitglieder indes fielen den Völkermordverbrechen der Nazis zum Opfer.

Der Band ist ein wichtiges Kompendium zur Geschichte Heidelbergs im Nationalsozialismus. Die biografischen Skizzen repräsentieren das gute, das andere Deutschland. Wir müssen uns aber auch vergegenwärtigen, dass die „stillen Helfer“ im Vergleich zu den Tätern, Mitläufern
und Zuschauern wenige waren – auch in Heidelberg. 

Norbert Giovannini (Hg.), Ingrid Moraw, Reinhard Riese, Claudia Rink, Kurpfälzischer Verlag, Heidelberg 2019