Zentralrat Deutscher Sinti und Roma kritisiert Untätigkeit der Stadt Ingolstadt gegenüber rassistischer NPD-Wahlwerbung

Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, wirft der Stadt Ingolstadt vor, mit ihrer Rechtsauffassung die Angehörigen der nationalen Minderheit von Sinti und Roma pauschal aus der deutschen Rechtsgemeinschaft auszugrenzen.  Die Stadt Ingolstadt lässt aktuell NPD-Plakate mit der Parole „Geld für die Oma statt für Sinti und Roma“ entgegen den gesetzlichen Vorgaben hängen.  In einem Artikel im Blickpunkt Ingolstadt in der Ausgabe vom 1./2. September 2017 begründen der Rechts- und Baureferent der Stadt dies damit, dass keine Möglichkeit zur Entfernung der Plakate bestünde, da dieses Wahlplakat bereits gerichtlich überprüft worden sei. Mit einer derartigen Argumentation und der zugrundeliegenden Logik wäre auch der Slogan „Kauft nicht bei Juden!“ wieder zulässig, so Rose, beide Slogans würden Personengruppen pauschal und mit der gleichen zugrundeliegenden Logik aus der Rechtsgemeinschaft ausgrenzen.

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wirft der Stadt Ingolstadt vor, mit ihrer Untätigkeit gegen bestehendes Recht und Gesetz zu verstoßen, insbesondere gegen das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates und der Antirassismus-Konvention der Vereinten Nationen.

Wegen der damaligen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte hatte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ein 2015 Rechtsgutachten über den ‚Umgang mit rassistischen Wahlkampfplakaten der NPD‘ in Auftrag gegeben, das von Prof. Dr. Stefanie Schmahl, LL.M. (E) an der Universität Würzburg erstellt wurde.  Das Gutachten führt aus, dass für die Bundesrepublik Deutschland neben dem Grundgesetz und den einschlägigen Strafgesetzen vor allen Dingen die internationalen Vorschriften aus menschenrechtlichen Übereinkommen gelten und daß an diese Vorschriften die Staatsanwaltschaften und die Gerichte gebunden sind.

Im Gutachten wird der antiziganistische und rassistische Gehalt der NPD-Wahlplakate eindeutig festgestellt. Anschließend wird ausgeführt, dass es für die Anwendung der polizeirechtlichen Generalklausel unerheblich ist, dass die Wahlkampfplakate den Straftatbestand des § 130 StGB nach Ansicht Verwaltungsgerichte nicht erfüllen. Wahlkampfplakate mit dem Slogan „Geld für Oma statt für Sinti und Roma“ verstoßen gegen völkerrechtlich normierte Verbotsnormen, die Teil der deutschen Rechtsordnung sind. Auch wird durch die systematisch, intensiv betriebene Wahlplakateaktion Sinti und Roma die Teilhabe als gleichberechtigte Bürger mit ihrer 600jährigen Geschichte in Deutschland abgesprochen, Angehörige der Minderheit werden verächtlich gemacht. Dadurch wird ein den sozialen Zusammenhalt zerstörendes Meinungsklima geschaffen, das nicht nur die angegriffenen Minderheitengruppen, sondern auch die Mehrheitsgesellschaft betrifft. Dies ist mit den herrschenden ethischen und sozialen Anschauungen als unentbehrliche Voraussetzungen für ein geordnetes Miteinander unvereinbar. Das Aufhängen solcher Plakate stellt damit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Die „juristische Überprüfung“, auf die sich die Behördenvertreter in dem genannten Artikel berufen, erging ohne Beachtung des genannten internationalen Abkommens.

Angesichts eines neuen und gewaltbereiten Nationalismus in Deutschland und in Europa müssen die Lehren aus der Vergangenheit klar gezogen werden; die Diffamierung und Ausgrenzung von Minderheiten dürfe gerade von den Kommunen und den Gerichten in Deutschland nicht hingenommen werden. Derartige Angriffe auf Minderheiten zielen im Kern auf unsere Demokratie und unser Wertesystem in Deutschland und in Europa so Rose. 

Die Vorsitzende des Arbeitskreises der Sinti und Roma Ingolstadt e.V., Ilona Roché, drückte ihre Sorge um das friedliche Zusammenleben von Minderheit und Mehrheit in Ingolstadt aus.  Mit derartigen Wahlplakaten werde die Gefahr von gewalttätigen Übergriffen heraufbeschworen.

 

 

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