Das im Jahr 2015 gegründete Bündnis für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas vereint Roma- und Nicht-Roma-Organisationen der Zivilgesellschaft mit dem Ziel, ein sichtbares Zeichen gegen den gesellschaftlich tiefverwurzelten Antiziganismus zu setzen. Am Welt-Roma-Tag 2016 trat das Bündnis mit seinem Aufruf »Every Day is Romaday!« in Anwesenheit des damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck erstmals an die breite Öffentlichkeit.
Im Kinder- und Jugendfilm Nellys Abenteuer (2016, Regie Dominik Wessely, INDI FILM Produktion) wird durchgehend die vermeintliche Fremdheit und Andersartigkeit der Roma betont, die im Film ausschließlich in Verbindung mit Problemen und zwielichtigen Machenschaften dargestellt werden. Die Darstellung reproduziert auf mehreren Ebenen antiziganistische Stereotype und Vorurteile und ist daher mit dem im Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus festgelegten Schutz vor Diskriminierung und Engagement für Gleichwertigkeit nicht vereinbar. Aus unserer Sicht ist der Film Nellys Abenteuer deshalb für ein Kinder- und Jugendpublikum gänzlich ungeeignet.
Nellys Abenteuer wurde mit fast einer Million Euro aus Steuermitteln öffentlich gefördert und kam im September 2016 in die Kinos. Wir wenden uns jetzt an die Öffentlichkeit, weil der Film im öffentlich-rechtlichen Kinderprogramm gezeigt werden soll. Zudem ist seine Verwendung als Unterrichtsmaterial für Schulen vorgesehen. Beides wäre aus unserer Perspektive fatal und stünde im Widerspruch zum Bildungsauftrag der Schulen und zum Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, das friedliche und demokratische gesellschaftliche Miteinander zu fördern.
Der Film wird von einer Gesellschaft rezipiert, die eine lange Geschichte der Ausgrenzung, Stigmatisierung und Verfolgung von Sinti und Roma hervorgebracht hat, die im nationalsozialistischen Völkermord gipfelte. Bis heute halten sich Vorurteile gegen die Minderheit hartnäckig. In zahllosen Bevölkerungsumfragen und Einstellungsstudien in Deutschland wie auch in anderen europäischen Ländern wird auf erschreckende Weise sichtbar, wie hoch die Ablehnung ist und wie tief die Vorurteile in der Gesellschaft verankert sind. Ein solcher Film befördert solche Einstellungen und damit den Antiziganismus anstatt eines besseren gesellschaftlichen Zusammenhalts zwischen Mehrheit und Minderheit verpflichtet zu sein.
Wir fordern darüber hinaus eine Diskussion über die Kriterien für die Förderung und Prämierung von Filmen, bei der Angehörige der Minderheit der Sinti und Roma einbezogen werden. Antiziganismus ist kein durch künstlerisch-filmische Freiheit gedecktes Kavaliersdelikt, sondern schafft die Grundlage für fortwährende Diskriminierung.
Mitglieder des Bündnisses für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas:
Amnesty International
Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Arne-Friedrich-Stiftung
Bürgerstiftung Berlin
Der Paritätische Gesamtverband
Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
Freudenberg Stiftung
Gegen Vergessen – Für Demokratie e. V.
Gesellschaft für bedrohte Völker
Hildegard Lagrenne Stiftung
Jesuiten-Flüchtlingsdienst
Landesverband Deutscher Sinti und Roma Baden-Württemberg e. V.
Landesverband Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg e. V.
Lesben- und Schwulenverband in Deutschland
Maxim Gorki Theater & Studio Я
RomaTrial e. V.
RomnoKher – Ein Haus für Bildung, Kultur und Antiziganismusforschung gGmbH
Schüler Helfen Leben
Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa
Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas
Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft«
Zentralrat der Juden in Deutschland
Zentralrat Deutscher Sinti und Roma