Rezension von Anna-Franziska Löns
Die Eltern und Geschwister des niederländischen Sinto Zoni Weisz wurden 1944 deportiert und anschließend in Konzentrationslagern ermordet. Er selbst überlebte als Kind aufgrund von Zufällen den NS-Völkermord an den Sinti und Roma.
Zoni Weizs’ Erzählungen beginnen in einem Moment, in dem er als erfolgreicher junger Unternehmer und Florist, der gerade das erste Mal Vater geworden ist, von jahrelang verdrängten Erinnerungen an die schrecklichen Ereignisse seiner Kindheit eingeholt wird. Ausgehend von der Erkenntnis, seine Vergangenheit nicht weiter beiseiteschieben zu können, beginnt er, sich seiner Geschichte und den damit
verbundenen Gefühlen zu stellen. In seiner Autobiografie führt Zoni Weisz die Leserinnen und Leser durch diesen persönlichen Prozess der Aufarbeitung – eingebettet in lebhafte und detailreiche Erzählungen über seine Kindheit, sein Aufwachsen in einer Pflegefamilie und seinen
Werdegang zu einem erfolgreichen Floristen. Bedächtig und beinahe beiläufig vermittelt er dabei einen Eindruck davon, wie sich das Leben vieler Sinti in den Niederlanden vor dem Zweiten Weltkrieg gestaltete und wie sich ihre Lebensweise nach dem Krieg aufgrund unterschiedlicher Umstände veränderte.
Zoni Weizs’ Autobiographie ist ein wichtiges individuelles Zeugnis eines Überlebenden, der die Kraft fand, sich durch vielfältiges Engagement gegen das Vergessen einzusetzen. Sie ist das Nachzeichnen des Lebensweges eines Sinto, der
sich stark mit seinen Wurzeln verbunden fühlt. Und sie ist eine Erfolgsgeschichte eines Unternehmers, der mit großer Leidenschaft seinem Beruf nachging und dadurch internationales Ansehen erlangen konnte. Zoni Weisz zeigt auf, dass ein Mensch niemals nur „Eines“ ist.
Nicht zuletzt leistet er mit seinem Werk einen wichtigen Beitrag zur Erinnerung an den lange Zeit „vergessenen Holocaust“ an den Sinti und Roma, welcher in der breiten Öffentlichkeit immer noch unzureichend beachtet ist. Die Darstellung von fortbestehenden antiziganistischen Strukturen in der Gegenwart ist zudem eine eindringliche Mahnung an die Gesellschaft. Das Erzählte untermalt er durch Fotografien, Dokumente und Gedichte. Am Ende des Werkes findet sich ein Abriss über die Geschichte der Sinti und Roma.
dtv, München 2018