Die Allianz gegen Antiziganismus fordert ein klares Bekenntnis des Präsidenten des Europäischen Parlaments Tajani gegen Antiziganismus

Brüssel, 29. Oktober 2018 – Der Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, kritisierte in einem Interview mit dem italienischen öffentlich-rechtlichen Sender RAI Anfang der letzten Woche die Pläne der italienischen Regierung für ein staatsbürgerliches Einkommen und sagte, dass damit „das Bürgergeld in den Taschen der Roma enden wird, von ausländischen Bürgern – aus der EU und von außerhalb – und mit Sicherheit nicht in jenen [Taschen] vieler italienischer Bürger.“

Die Allianz gegen Antiziganismus kritisiert, dass solche Aussagen im öffentlichen Diskurs Antiziganismus verstärken, und fordert ein klares Bekenntnis gegen Antiziganismus seitens des Präsidenten des Europäischen Parlaments Tajani.

Romani Rose, Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, sagte: „Die Aussage von Parlamentspräsident Tajani bestätigt wie tief verwurzelt antiziganistische Klischees in den europäischen Gesellschaften und Institutionen sind. Selbst oftmals unbewusste Sprachbilder führen zur Ausgrenzung von Minderheiten und festigen wie hier den Antiziganismus in der Mitte der Gesellschaft. Das Europäische Parlament hat am 15. April 2015 den Holocaust an den 500.000 Sinti und Roma im NS-besetzten Europa anerkannt und mit der Entschließung vom Oktober 2017 eine klare Strategie zur Bekämpfung des Antiziganismus verabschiedet. Politische Repräsentanten übernehmen in unserer Demokratie eine wichtige Verantwortung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Deshalb wäre es ein Zeichen von politischer Verantwortung, dass sich Präsident Tajani unmissverständlich zur Bekämpfung des Antiziganismus als rechtsstaatliche und demokratische Aufgabe bekennt.“

Gabriela Hrabanova, Direktorin des ERGO-Netzwerks (European Roma Grassroots Organizations), unterstrich: „Tajanis Worte spiegelt die antiziganistische Norm im politischen Diskurs wider. Dies ist sowohl vor den EU-Wahlen als auch vor Wahlen auf nationaler und lokaler Ebene besonders gefährlich. Es ist ein Widerspruch, dass das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten dazu auffordert, den Rahmenbeschluss und die Richtlinie über die Gleichheit von Rassismus Betroffener in nationales Recht um- und durchzusetzen, und zuletzt die Mitgliedstaaten dazu auffordert, neofaschistische und neonazistische Gruppen zu verbieten, während sie Roma zu Fremden erklärt obwohl diese seit Jahrhunderten Bürgerinnen und Bürger Europas und ihrer Länder sind. Aussagen, wie die von Tajani unterminieren auch die laufende Arbeit auf EU-Ebene im Kampf gegen Antiziganismus.“

Michaël Privot, Direktor des Europäischen Netzwerks gegen Rassismus, sagte: „Herr Tajani’s rassistischer Kommentar zeigt nur, wie etablierte Politiker rassistische und fremdenfeindliche Diskurse von rechtsextremen und neofaschistischen Gruppen legitimieren können, anstatt sie abzulehnen. Es ist höchste Zeit, dass der Präsident des Europäischen Parlaments rassistische Äußerungen innerhalb und außerhalb seines eigenen Hauses anpackt. Dies bedeutet sowohl Disziplinarmaßnahmen gegen Mitglieder des Europäischen Parlaments, die Hassreden gegen Roma und andere Minderheiten verwenden, als auch eine öffentliche Verurteilung von Hassreden in den Mitgliedstaaten.“

Obwohl einige Mitglieder des Europäischen Parlaments die Kommentare verurteilten und eine öffentliche Entschuldigung forderten, kritisierte die Führung der Europäischen Volkspartei, deren Mitglied Antonio Tajani ist, die Äußerungen bislang nicht, ebenso wenig hat sich Herr Tajani für seine Worte öffentlich entschuldigt.

 

Hinweise für den Herausgeber:

Die „Allianz gegen Antiziganismus“ ist eine Koalition von Organisationen, die die Gleichberechtigung der Roma fördern möchte und Antiziganismus auf institutioneller und gesellschaftlicher Ebene bekämpfen will. Ziel der Allianz ist es, das Verständnis von Antiziganismus als spezifische Form des Rassismus zu fördern und den politischen Willen und die institutionellen Mechanismen zu stärken, um Antiziganismus in Europa entgegenzutreten. Das Bündnis wird vom ERGO-Netzwerk, dem Europäischen Netzwerk gegen Rassismus (ENAR) und dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma koordiniert.

Die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. Oktober 2018 zur Zunahme neofaschistischen Gewalttaten in Europa (2018/2869 (RSP)), http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=MOTION&reference=B8-2018-0481&format=XML&language=DE

 

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