Rezensionen zu der Studie „Das Bayerische Landeskriminalamt und seine ‚Zigeunerpolizei‘ (1946 bis 1965)“

Rezensionen von Markus End, Verena Meier und Hans Woller

Die Studie „Das Bayerische Landeskriminalamt und seine ‚Zigeunerpolizei‘ (1946 bis 1965) – Kontinuitäten und Diskontinuitäten der bayerischen ‚Zigeunerermittlung‘ im 20. Jahrhundert“ von Eveline Diener erschien 2021 im Verlag für Polizeiwissenschaft.

Eine Rezension von Markus End, Politikwissenschaftler und Vorsitzender der Gesellschaft für Antiziganismusforschung, veröffentlicht in: ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Jg. 3, Heft 1/2023, S. 144–147. 

Die Autorin hat eine historische Arbeit zur Geschichte der frühen „Nachrichtensammel- und Auskunftsstelle über Landfahrer“ am bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) vorgelegt, ein Thema, dem sowohl wissenschaftlich als auch politisch hohe Relevanz zukommt (Unabhängige Kommission Antiziganismus 2021: 93). Hierzu hat sie eine Vielzahl an Quellen, die der Forschung bisher in weiten Teilen unzugänglich waren, erschlossen und analysiert. Dabei kam der Autorin wohl zugute, dass sie selbst als Kriminalhauptkommissarin beim BLKA tätig ist. Sie kann durch ihre Arbeit den bisher äußerst lückenhaften Kenntnisstand zur frühen bayerischen „Landfahrerstelle“ deutlich erweitern. Konzeptuell aber zeigt ihre Arbeit erhebliche Mängel.

Zunächst muss der Umgang mit dem Stand der Forschung als Kritikpunkt benannt werden. Wo überhaupt ein Bezug auf Forschungsliteratur stattfindet, bleibt er oberflächlich und wenig systematisch, Zitate werden zur Bestätigung der eigenen Befunde ausgewählt, eine Wiedergabe oder Einordnung von Forschungsdebatten unterbleibt. Bezüglich zentraler Themenfelder wird relevante Literatur nicht einmal zur Kenntnis genommen. Nur ein Beispiel: Die Autorin zeichnet die frühe Entwicklung polizeilicher Sondererfassung von als Zigeuner stigmatisierten Personen im 19. Jahrhundert in Bayern nach, ohne die einzige explizit zu Bayern verfasste Monographie zur „bayerischen Zigeunerpolitik“ (Albrecht 2002) auch nur zu erwähnen. Auch das Standardwerk von Lucassen (1996) zur Entwicklung polizeilicher Erfassung von Menschen als Zigeuner, das ebenfalls auf die Entwicklung der bayerischen Polizei eingeht, findet sich nicht einmal in der Literaturliste.

[…] Weitergelesen werden kann hier.


Eine Rezension von Verena Meier, Doktorandin und Stipendiatin an der Forschungsstelle Antiziganismus, veröffentlicht in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 71 (2023) 2, S. 190.

Die Kriminalkommissarin und Kulturwissenschaftlerin Eveline Diener legt mit ihrer an der Fernuniversität in Hagen verteidigten Dissertation neue Erkenntnisse zur Polizeigeschichte sowie zur Verfolgung von Sinti und Roma durch Kriminalpolizeidienststellen in
München im 20. Jahrhundert vor. Diener erläutert, dass die Münchner Polizei bereits zum Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Schlüsselposition beim Aufbau eines länderübergreifenden Netzwerks zur Überwachung und Verfolgung von Sinti und
Roma einnahm.

[…] Die Publikation hat insgesamt als wichtige Referenz für folgende institutionengeschichtliche Forschungen zur langen Geschichte der
Verfolgung von Sinti und Roma durch die Kriminalpolizei sowie zur „Landfahrerzentrale“ beim LKA in München nach 1945 zu gelten.


Eine Rezension von Hans Woller, Historiker und ehemaliger Herausgeber der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, in sehepunkte 22 (2022), Nr. 3.  

[…] Ein Einzelfall oder ein Indikator für die Ignoranz des LKA, wenn es um die Aufklärung von Verbrechen gegen Sinti und Roma und generell um die Kontinuitäten bayerischer „Zigeunerpolitik“ im 20. Jahrhundert und speziell nach 1945 ging? Diese Frage steht im Zentrum einer Dissertation, die an der Fernuniversität Hagen entstand und im Herbst 2021 auf einer Pressekonferenz des LKA Bayern der Öffentlichkeit vorgestellt wurde – im Beisein des Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, und des Präsidenten des LKA Bayern, Harald Pickert.

Die Autorin blickt unvoreingenommen und unerschrocken zurück. Eveline Diener, ihres Zeichens Kriminalhauptkommissarin, richtet den Fokus ihrer Untersuchung vor allem auf das Herzstück der bayerischen „Zigeunerpolitik“, also auf die in München angesiedelten speziellen Dienststellen, die im Rahmen der Kriminalpolizei die Bekämpfung der schon im 19. Jahrhundert sogenannten Zigeunerplage koordinierten. Die Autorin holt dabei weit aus. Sie widmet sich in längeren Kapiteln der bayerischen „Zigeunerpolitik“ im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und im NS-Staat – schon vielfach beackerten Forschungsfeldern mithin, denen sie auf der Basis umfassender Quellenrecherchen zahlreiche neue Aspekte abzugewinnen vermag. Bayern, so lautet der nun weiter befestigte Befund, avancierte spätestens um die Jahrhundertwende zum Vorreiter der deutschen „Zigeunerpolitik“. Die Münchner „Zigeunernachrichtendienststelle“ wurde 1930 offiziell zur „deutschen Zentralstelle für die Zigeunerbekämpfung“, und aus der Münchner „Zigeunerpolizeistelle“ ging in der NS-Zeit nicht zufällig die „Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ hervor, deren verhängnisvolle Rolle bei der Verfolgung und Ermordung hunderttausender Sinti und Roma auch Eveline Diener betont.

[…] Weitergelesen werden kann hier.