Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma begrüßt, dass der nun vorgelegte Entwurf eines Koalitionsvertrags zwischen SPD, Grünen und FDP den Antiziganismus als ein Problem von gesamtgesellschaftlicher Relevanz in den Fokus nimmt. Um einen echten Paradigmenwechsel in der Bekämpfung des Antiziganismus zu bewirken, muss eine neue Bundesregierung die Forderungen und Handlungsempfehlungen der Unabhängigen Kommission Antiziganismus (UKA) umfassend umsetzen.
Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, lobt den in den Koalitionsverhandlungen ausgearbeiteten Entwurf, der den Antiziganismus stärker als bisher in den Blick nimmt. Er fordert aber auch konkrete Umsetzungsvorschläge:
„Der Entwurf des Koalitionsvertrags der Ampelparteien zeigt, dass auf politisch höchster Ebene der Antiziganismus verstärkt als eine Bedrohung unserer gesamten demokratischen Verfasstheit wahrgenommen wird. Es ist gut, dass sich einige zentrale Forderungen des Zentralrats wiederfinden. Wir nehmen die kommende Regierung jedoch nun in die Pflicht, ihren in dem vorgelegten Vertragsentwurf insgesamt noch sehr vage formulierten Worten, Taten folgen zu lassen und schnell eine umfassende Strategie zur Bekämpfung des Antiziganismus auszuarbeiten. Die Handlungsempfehlungen und Forderungen des Abschlussberichts der Unabhängigen Kommission Antiziganismus (UKA) sollen hierbei die Grundlage sein. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wird mit seiner Expertise auch die neue Bundesregierung unterstützen.“
Eine wichtige Forderung, die der Zentralrat an die Parteien vor und nach der Wahl gestellt hat und die auch eine zentrale Forderung der UKA war, hat in dem Papier der potenziellen Koalitionspartner Niederschlag gefunden: die Einsetzung einer oder eines Antiziganismusbeauftragten der Bundesregierung. Diese neu zu schaffende Stelle muss aus Sicht des Zentralrats mit einem Arbeitsstab mit qualifiziertem Personal und angemessenem Budget ausgestattet werden. Sie soll der Stelle der oder des Antisemitismusbeauftragten gleichgestellt und am selben Ort angesiedelt sein. Ebenfalls zu begrüßen ist der Plan des Aufbaus einer „Nationalen Kontaktstelle für Sinti_ze und Rom_nja (NRCP)“ zur Koordination und Umsetzung des „Strategischen EU-Rahmens für Gleichstellung, Inklusion und Partizipation der Roma“. Der Koalitionsvertrag greift auch die bereits von der alten Regierung vorangebrachte Einrichtung einer Melde- und Informationsstelle Antiziganismus auf und setzt deren wichtige Arbeit fort.
Dass die Parteien darüber hinaus vereinbart haben, Empfehlungen der UKA umsetzen zu wollen, ist grundsätzlich begrüßenswert. Hier muss die zukünftige Regierung aus Sicht des Zentralrats jedoch noch konkreter werden, denn der Abschlussbericht der UKA enthält 60 Handlungsempfehlungen und sechs zentrale Forderungen.
„Wie der Bericht der UKA schon im Titel fordert, brauchen wir einen „Perspektivwechsel – nachholende Gerechtigkeit und Partizipation“. Das bedeutet, wir brauchen einen Staatsvertrag auf Bundesebene, sowie die Anerkennung des Grundsatzes der kollektiven Verfolgung von Sinti und Roma aus rassischen Gründen von 1933-1945. Es muss ein Sonderfonds für niederschwellige, einmalige Anerkennungsleistungen für NS-Verfolgte Sinti und Roma wie eine Kommission zur Aufarbeitung des Unrechts nach 1945 eingerichtet werden. Zudem brauchen wir verbesserte Partizipationsstrukturen für Sinti und Roma, insbesondere durch die Entsendung von Minderheitenangehörigen in staatliche Gremien, wie die Rundfunkräte und Landesmedienanstalten. Darüber hinaus machen wir uns dafür stark, dass die vorgesehenen Änderungen im Aufenthaltsrecht auch die Anerkennung geflüchteter Roma als besonders schutzwürdige Gruppe vorsehen. Deutschland muss hier seine Verpflichtung wahrnehmen und zur Ächtung des Antiziganismus in ganz Europa beitragen“, so Romani Rose.