In einem persönlichen Schreiben an den ungarischen Minister für Humanressourcen, Zoltan Balog, nimmt Romani Rose Stellung zu der Diskussion in Ungarn über den Völkermord an Sinti und Roma während der NS-Herrschaft in Europa. Anlaß war das Interview, in dem Minister Balog unter anderem erklärt hatte, daß wenn der wichtigste Aspekt der jüdischen Identität es sei, daß es einen Holocaust gab, so sei das eine innere Verwirrung, die eine Schizophrenie fördere. Außerdem hatte Minister Balog gesagt, der Holocaust an den Roma sei eine „neue Entdeckung“ und die Tragödie der Roma sei, daß es sie „keine Geschichte“ hätten.
Romani Rose entgegnete in seinem heutigen Schreiben, daß aus Ungarn tausende Roma in deutsche Konzentrationslager zur Zwangsarbeit deportiert wurden, daß es aber in der Tat keine der Deportation der ungarischen Juden in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau vergleichbare Vernichtungsaktion gegen Roma in Ungarn vor dem Ende des Krieges gab. In Auschwitz-Birkenau war am 2. August 1944 das sogenannte „Zigeunerlager“ im Lagerabschnitt B II e aufgelöst und die letzten 2.900 Sinti und Roma vergast worden, um Raum für die ungarischen Juden zu schaffen, von denen über 438.000 Menschen nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurden.
Die Erfahrung der Verfolgung präge selbstverständlich die nachfolgenden Generationen – die sich gleichzeitig den Herausforderungen der Gegenwart zu stellen hätten, was für sie eine zusätzliche Bürde bedeute. „Es verbietet sich daher, hier von einer „Schizophrenie“ zu sprechen, wenn die Erfahrung der Verfolgung wichtiger Bestandteil der Identität nicht nur von einzelnen Personen, sondern von einer nationalen Minderheit ist. Eine derartige Pathologisierung ist meiner Auffassung nach unzulässig, vor allen Dingen im Kontext des Gedenkens“, so Rose.
Romani Rose hielt hierzu weiter fest, daß Minister Balog gleichwohl einen schwierigen Punkt angesprochen habe, nämlich das Verhältnis der nachfolgenden Generationen von Sinti und Roma zu den Verfolgungen von Eltern oder Großeltern. „Diese Erfahrung der Verfolgung darf nicht unser Leben in der Zukunft bestimmen, denn auch das wäre ein später Sieg der Nazis. Hier gilt es vor allen Dingen aber auch umgekehrt, nämlich als Aufgabe der Mehrheitsbevölkerung und an vorderster Stelle der staatlichen Repräsentanten der Gesellschaft, dafür zu sorgen, daß diese Erfahrung der Verfolgung eben nicht immer wieder erneuert wird – wie es bei den Mordserien an Roma in Ungarn und ebenso bei der Mordserie des sogenannten NSU in Deutschland geschah“, so Rose in seinem Schreiben an Minister Balog.