Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, traf heute mit dem neuen Beauftragten der Bundesregierung gegen Antiziganismus, Dr. Mehmet Daimagüler, in dessen Geschäftsstelle im Bundesfamilienministerium in Berlin zu einem ersten Gespräch zusammen. Rose informierte den Bundesbeauftragten über die Arbeit des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma und die aktuellen Herausforderungen, vor denen die Minderheit heute in Deutschland und Europa steht.
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hatte die Forderung nach der Berufung eines Antiziganismus-Beauftragten zusammen mit der Forderung nach einer Unabhängigen Kommission Antiziganismus erhoben. „Mit der Einsetzung von Dr. Mehmet Daimagüler als Bundesbeauftragten gegen Antiziganismus macht die Bundesregierung deutlich, dass der Antiziganismus auf der höchsten politischen Ebene als ein Problem gesehen wird, der unsere demokratische Wertegemeinschaft als Ganzes ernsthaft bedroht“, so der Vorsitzende des Zentralrats, Romani Rose, heute.
Der Beauftragte soll künftig als Teil der Exekutive Maßnahmen zur Überwindung des Antiziganismus und zu dessen Prävention ressortübergreifend koordinieren. Dazu gehört zunächst, dass er die Umsetzung der Empfehlungen der Unabhängigen Kommission Antiziganimus, die der Bundesregierung im März 2021 einen 800 seitigen Bericht mit über 60 Empfehlungen vorlegt hat, aktiv vorantreibt und unterstützt.
„Die Bekämpfung des Antiziganismus muss ressortübergreifend im Bund wie in den Ländern angegangen werden. Um Maßnahmen voranzubringen, werde ich mich für die Einrichtung einer ständigen Bund-Länder-Kommission einsetzen. Besonders am Herzen liegt mir aber die Aufarbeitung des fortgesetzten Unrechts nach 1945. Der NS-Völkermord an den Sinti und Roma blieb weitgehend ungesühnt und die Ausgrenzung und Diskriminierung endete für die Überlebenden und ihre Nachkommen 1945 nicht, sondern setzt sich zum Teil bis heute fort“ erklärt der Beauftragte der Bundesregierung, Dr. Mehmet Daimagüler. „Neben den drängenden Aufgaben zur Bekämpfung des Antiziganismus ist mir die Sichtbarkeit von Sinti und Roma besonders wichtig. Ich möchte dabei unterstützten, die vielfältigen Beiträge von Sinti und Roma in Politik, Kultur und Wirtschaft bekannt zu machen“, so der Bundesbeauftragte.
Der Erfolg der Arbeit des Antiziganismus-Beauftragten wird auch von der guten Zusammenarbeit mit bereits vorhandenen Strukturen auf Bundes- und Landesebene und den Institutionen der Zivilgesellschaft abhängen, wie etwa der ‚Melde- und Informationsstelle Antiziganismus‘, die der Zentralrat mit Förderung des Bundesinnenministeriums derzeit auf Bundesebene aufbaut und die in diesem Jahr ihre Arbeit aufnehmen wird.
Im Gespräch mit dem Bundesbeauftragten drückte der Vorsitzende des Zentralrats seine große Sorge vor den aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine aus, von dem auch Hunderttausende ukrainische Roma betroffen sind. „Während die wehrfähigen Männer zu Tausenden an der Front stehen, fliehen auch unter den ukrainischen Roma überwiegen Kinder, Frauen und Ältere. Nach ihrer Flucht werden Roma in den Anrainerstaaten der Ukraine aber auch in Deutschland oft erneut Opfer von Ausgrenzung und rassistischen Anfeindungen“, so Rose. Dem Zentralrat liegen Berichte vor, dass ukrainische Kriegsflüchtlinge, wenn sie als Roma wahrgenommen werden, von Unterkünften und Hilfsstrukturen abgewiesen werden, oder nicht als gleichwertige, vom Krieg betroffene Ukrainer betrachtet werden.
Für besonders gefährlich erachtet der Zentralrat die aktuelle Berichterstattung einzelner Medien im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise, bei der das angebliche Fehlverhalten einzelner Geflüchteter mit ihrer Abstammung in Verbindung gebracht und damit Sinti und Roma in ihrer Gesamtheit stigmatisiert und an den Pranger gestellt werden. Diese Berichte, die eindeutig gegen den Pressekodex verstoßen, schüren Hass und Gewalt gegen die gesamte Minderheit in Deutschland. Das zeigt sich in der Zunahme von Hasskommentaren in den sozialen Netzwerken, aber auch in Hassbotschaften, die den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma seit einigen Wochen vermehrt erreichen und die allgemein gegen Sinti und Roma gerichtet sind. Romani Rose drückte in diesem Zusammenhang gegenüber dem Bundesbeauftragten seine erhebliche Sorge um die Sicherheit von Angehörigen der Minderheit aus.
Hier – aber auch in allen anderen Handlungsfeldern zur Bekämpfung des Antiziganismus – vereinbarten der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma und der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus eine enge Zusammenarbeit.
Das Gespräch soll zeitnah bei einem Besuch des Bundesbeauftragten im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg fortgeführt werden.