Samuel Mago: „Bernsteyn und Rose“ und „Unter meiner Haut“

Rezension von Katharina Graf-Janoska

Samuel Mago wurde 1996 in Budapest geboren und lebt seit seinem vierten Lebensjahr in Österreich, Wien. Er stammt aus einer Roma­Familie mit mütterlicherseits jüdischen Wurzeln. Mittlerweile gehört er zu den wichtigsten Roma­-Aktivisten Österreichs und ist
Gründungs-­ und Vorstandsmitglied des ersten Roma-Jugendvereins des Landes, der HÖR (Hochschüler*innenschaft Österreichischer Roma und Romnja). Gleichzeitig gehört er für die Rezensentin zu einem der vielversprechendsten Vertreter der zeitgenössischen Literatur in Österreich. Mago erhielt 2015 den „exil­jugendliteraturpreis“ für seine Kurzgeschichte „Zeuge der Freiheit“ und 2016, bei der Buchmesse „Buch Wien“, den „Roma­-Literaturpreis des österreichischen PEN“, der im Gedenken an die österreichische Schriftstellerin und
Künstlerin Ceija Stojka ins Leben gerufen wurde. Mit ihm will der österreichische PEN Vertreter*innen der Roma ermutigen, ihre Sprache, das Romanes, in ihrer Besonderheit weiter zu pflegen. Samuel Mago gehört zu den wenigen (Roma­)Autoren Österreichs, die in beiden Sprachen schreiben, Deutsch und Romanes. Den PEN-­Preis erhielt der junge Autor nach Aussage der Jury für die „in den
Preisträger berechtigt gesetzte Hoffnung auf Erbringung einer preiswürdigen Leistung“.

Das in ihn gesetzte Vertrauen hat Mago mit seinem Erstlingswerk „Glücksmacher – e baxt romani“, welches er gemeinsam mit seinem Bruder Károly Mágó 2017 in Deutsch und Romanes veröffentlichte, nicht enttäuscht. Bei dem Debüt der Brüder handelte sich um eine Sammlung von 13 Kurzgeschichten, in denen die letzten 100 Jahre aus der Sicht der Roma erzählt werden. Es sind Geschichten,
die in der Familie der Magos weitergegeben wurden und die teils tragisch, teils fantastisch das Schicksal von Menschen erzählen, die zwischen Budapest und Wien auf der Suche nach dem persönlichen Glück sind.
2021 veröffentlichte Samuel Mago zwei weitere Bücher, diesmal als alleiniger Autor: die Kurzgeschichtensammlung „Bernsteyn und Rose“ sowie den Gedichtband „Unter meiner Haut – tela muri mortji“. Beide Bücher stehen dem Erstlingswerk sprachlich und handwerklich in nichts nach.

In „Bernsteyn und Rose“ erzählt der Autor Geschichten aus der Welt der Roma und nimmt den Leser mit auf eine Reise nach Budapest, Wien und Skopje. Er erzählt von Menschen und deren Schicksalen während des Krieges und in der Nachkriegszeit. Es sind Geschichten, die einen differenzierten Blick auf die Frage nach der eigenen Identität werfen, auf ganz unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichen Jahrzehnten – bis hin zu dem Text „Die Stadt ohne uns“, deren Inhalt von dem Werk „Stadt ohne Juden“ von Hugo Bettauer inspiriert ist.
Samuel Mago hat einen unverkennbaren sprachlichen Stil entwickelt, der bild-, ja beinahe zauberhaft ist. Die sechs Kurzgeschichten in „Bernsteyn und Rose“ sind ebenso wie das Erstlingswerk „Glücksmacher – e baxt romani“ angelehnt an die eigene Familiengeschichte – das Cover ziert ein Bild seiner Großmutter in jungen Jahren – und erzählen unter anderem vom Zusammenleben der Roma und Jüdinnen und Juden. Sie berichten von der Verbundenheit zweier Völker, die Ähnliches erleiden mussten, eine Verbundenheit, die auch in der Familiengeschichte der Magos spürbar ist.
Auch der Gedichtband „Unter meiner Haut – tela muri mortji“ ist zweisprachig erschienen. Die meisten Gedichte handeln von der eigenen Identität, von der teilweise immer noch anhaltenden Ausgrenzung und Stigmatisierung der Roma. Mago spricht auch für jene, die dazu selbst nicht mehr in der Lage sind. Am treffendsten formuliert es der Autor im Vorwort selbst: „Es heißt, Romanes sei die Sprache der Roma. In Wahrheit ist Romanes keine Sprache, sondern ein Gedicht. In tausend Jahren, in tausend Versen erzählt. Geschmiedet, geflochten und geschliffen von Ahnen aus einem weit entfernten Land und Kindern aus der Nachbarschaft. Die Gedichte der Roma sind nicht Poesie,
sie sind die Schreie und Lieder eines Volkes, das gehört werden will. […] Die Märchen und Geschichten und Gedichte der Roma verschwinden langsam von unseren Zungen. Von Zungen, die meinen Vorfahren aus dem Mund geschnitten wurden, weil sie Romanes gesprochen haben. Von Zungen, die als Staub und Asche durch die Schornsteine von Auschwitz gingen. In uns leben sie weiter.“ 

Bernsteyn und Rose, Kurzgeschichten aus der Welt der Roma, Samuel Mago, edition exil, 2021

Unter meiner Haut – Tela muri mortji, Gedichte Deutsch – Romanes, Samuel Mago, Löcker Verlag, 2021