Stellungnahme des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma zum Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz gegen digitale Gewalt

Stellungnahme des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma

Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz gegen digitale
Gewalt

Sehr geehrte Damen und Herren,

in vorbezeichneter Angelegenheit danken wir für die Möglichkeit der Stellungnahme.
Wir teilen zu dem Papier Folgendes mit:

Anspruch auf eine richterlich angeordnete Accountsperre

Wir regen an, dass der Anspruch auf Accountsperren auch in Fällen von Verstößen gegen §
130 Volksverhetzung – StGB eingeräumt werden soll. Sinti und Roma sind in Sozialen
Netzwerken und auf anderen Plattformen immer wieder digitaler Gewalt ausgesetzt. Dabei
kommt es auch zu volksverhetzenden Inhalten. So wird etwa der Holocaust an der Minderheit
gebilligt, geleugnet oder verharmlost und es kommt zu Gewaltaufrufen.

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, hatte im Jahr 2018
zum Recherchebericht von jugendschutz.net, dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und
dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma erklärt: „Auch
Relativierungen und Leugnung des Holocausts finden sich im Kontext antiziganistischer
Hetze.“ Bei dem Pilotprojekt wurden antiziganistische Hassinhalte recherchiert und
analysiert. Unter den mehreren tausend dokumentierten Inhalten konnte eine Vielzahl an
diskriminierenden Stereotypen, Hassinhalten und Gesetzesverstößen identifiziert werden.
Auch deswegen braucht es eine klare Definition des Begriffs der „digitalen Gewalt“, der auch
diesem Umstand Rechnung trägt. Die Accountsperren sollten als Werkzeug gegen alle
Formen von Hasskriminalität und strafbaren Falschnachrichten genutzt und der
Anwendungsbereich entsprechend erweitert werden.

Dies entspricht auch den Empfehlungen der von der Bundesregierung berufenen
Unabhängigen Kommission Antiziganismus (UKA). Sie empfiehlt die konsequente rechtliche
Verfolgung des Tatbestandes der Volksverhetzung (§ 130 StGB) und der Verunglimpfung des
Andenkens Verstorbener (§ 189 i.V.m. § 194 Abs. 2 Satz 1 StGB) auch in Fällen, in denen
Sinti und Roma sowie der an Sinti und Roma begangene Völkermord betroffen sind.
Entsprechend muss auch die Antragsberechtigung für die Accountsperren erweitert werden.
Das bedeutet, dass nicht nur, wie bisher vorgesehen, individuell Betroffene einen solchen
Antrag stellen können sollen. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen sollten zugelassen
sein, um entsprechende Anträge bei Gericht zu stellen. Dies ist unter anderem in den Fällen
digitaler Gewalt notwendig, von denen keine individuelle Person betroffen ist.

Darüber hinaus sollte die Vertretungsmöglichkeit erweitert werden. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich dem Schutz der Betroffenen verpflichtet haben, sollten auch die Möglichkeit erhalten, die Betroffenen auf dem Rechtsweg vertreten zu können.

Darüber hinaus regt der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma an, dass für Fälle
volksverhetzender Inhalte der Begriff der verletzten Person erweitert wird. Die einzelnen
Angehörigen der von § 130 StGB in Bezug genommenen Gruppen sollten sich mit ihren
Anträgen auch auf solche strafbaren volksverhetzenden Inhalte stützen, die sie zwar nicht in
ihren persönlichen Rechten verletzen, sie aber gleichwohl als Angehörige der jeweiligen
Gruppe besonders betreffen.