Udo Engbring-Romang: „Mit einer Rückkehr ist nicht mehr zu rechnen …“

Die Verfolgung der Sinti und Roma in Mannheim

Rezension von Moritz Vogel

Mitte der 1950er-Jahre tobte in Mannheim eine Debatte um einen geeigneten Lagerplatz für „Zigeuner“ bzw. „Landfahrer“. Hierbei standen weniger die Interessen dieser Gruppe im Vordergrund als die der restlichen Stadtgesellschaft, die sich von deren angeblich asozialem Verhalten bedroht fühlte. „Wachsende Kriminalität“ und „Seuchengefahr“ wurden sowohl von Privatpersonen als auch von behördlicher Seite in der Nähe eines solchen neuen Lagerplatzes befürchtet.

Udo Engbring-Romang zeigt in seinem 2017 erschienenen Buch „Mit einer Rückkehr ist nicht mehr zu rechnen …“ Die Verfolgung der Sinti und Roma in Mannheim am Beispiel Mannheims die Kontinuität solcher stereotyper und diskriminierender Zuschreibungen von der Weimarer Republik und auch davor, über die NS- bis in die Nachkriegszeit. Das Buch verdeutlicht dabei, wie unter Rückgriff auf diese
rassistischen Stereotype nicht nur zu Zeiten des Nationalsozialismus auf menschenverachtende Weise gegenüber Sinti und Roma verfahren wurde. Der Fokus von Engbring-Romangs Studie liegt auf der Zeit des Nationalsozialismus. Die chronologisch orientierte Darstellung ist durch eine doppelte Perspektive gekennzeichnet. Einerseits schildert sie die wichtigsten Stationen und Aspekte der Verfolgung der Sinti und Roma in der NS-Zeit insgesamt, andererseits liegt ihr Schwerpunkt auf der Verfolgung der Mannheimer Sinti und Roma. Dies hat seinen
Grund in der teils schwierigen Quellenlage für die Erforschung der Verfolgungsgeschichte in Mannheim sowie darin, dass die „Zigeunerpolitik“ der Nationalsozialisten zentral verordnet und lokal nur umgesetzt wurde.

Dementsprechend geht es Engbring-Romang neben den überlokalen politischen Entwicklungen der NS-Zeit vor allem um die lokale Umsetzung der nationalsozialistischen „Zigeunerpolitik“ in Mannheim. Hierin liegt auch die eigentliche Stärke des Buches. An Dokumenten der nationalsozialistischen Behörden, die der Autor vielfach einbezieht, zeigt sich die menschliche Kälte und oft gleichzeitige Unbedarftheit der ausführenden Täter sowie teils auch die Inkompetenz der bürokratischen Verwaltungsinstanzen.

Der Perspektive der Täter werden die Schilderungen von Überlebenden und dokumentierte Äußerungen der Ermordeten gegenübergestellt. Der Fokus auf Mannheim führt dabei dazu, dass sich die Schicksale einzelner Familien und Personen durch das ganze Buch ziehen. Die Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie erlangen dadurch ihre Individualität zurück. Sie bekommen Namen und
eine eigene Geschichte, die der Erzählung der Täter entgegengesetzt wird. 

 

Thorbecke Verlag, Ostfildern 2017

Titelzitat aus einer internen Mitteilung der Kriminalpolizei Karlsruhe,
Außendienststelle Mannheim | © Thorbecke Verlag