Vortrag zu „Antiziganismus Online“

Bilder und Deutungsmuster im medialen Zuwanderungsdiskurs aus rassismuskritischer Perspektive

Am 21. April 2017 lud die Gesellschaft für Antiziganismusforschung (GfA) im Rahmen ihrer Frühjahrstagung zusammen mit dem Fachgebiet Migration und Gesellschaft am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) an der Universität Osnabrück zum Vortrag »Antiziganismus online – zu Bildern und Deutungsmustern im medialen Zuwanderungsdiskurs aus rassismuskritischer Perspektive« von Michalina Trompeta ein.

Michalina Trompeta ist derzeit Doktoratin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich interkulturelle Bildungsforschung an der Uni Köln und promoviert zu visuellen Antiziganismus im Online-Journalismus. 2014 hat sie eine Studie zu „Neo-Rassismus im neuen Netz“ verfasst. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden 2017 im Sammelband „Rassimuskritik und Widerstandsformen“ unter dem Titel „Antiziganismus im neuen Netz. Eine kritische Diskursanalyse zu Diskussionsforen deutscher Online-Zeitungen“ im Sammelband (2017) veröffentlicht.

Gegenstand der Untersuchung waren 204 Online-Kommentare die zwischen Herbst 2013 und Frühjahr 2014 zu Online-Artikeln zu Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien im Zuge des Freizügigkeitsrecht vom 1.1.2014 auf den Portalen spiegelonline.de, faz.de und sueddeutsche.de verfasst wurden. Sie untersucht die verwendeten sprachlichen, immateriellen Bilder und deren spezifische Symbolbedeutung, die das denken über eine bestimmte Gruppe beeinflussen. Trompeta machte in ihrem Vortrag deutlich, dass sie sich ausschließlich mit dem Konstrukt/ dem Bild des „Zigeuners“ in ihrer Analyse auseinandersetzt und nicht mit realexistierenden Subjekten befasst. Jedoch ist ihr bewusst das reale Personen von diesen Konstrukten betroffen sind. Darunter fallen auch rumänische und bulgarische Staatsbürger*innen ohne Zugehörigkeit zur Minderheit. Auch sie wurden von den Kommentator*innen in die rassistische Gruppenkategorie übernommen. Als kritische Selbstreflektion merkte sie an, dass es ein wiederkehrendes Dilemma im Rahmen der analytischen Arbeit ist derartige Bilder auch wiederherzustellen.   

Die Diskussion von Migration fand in den Kommentaren auf politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene statt und verwendete Kollektivsymbolik die stark geprägt ist von Sozialneid und Sozialchauvinismus, basierend auf irrationalen Verlustängsten. Die antiziganistischen Stereotype die dabei angesprochen werden sind: Nomadentum, abweichendes Sozialverhalten, Kinderreichtum, Clan/Sippen/Herden-Struktur usw. Dabei werden diese Stereotype mit einem biologischen Rassismus verflochten, die einen inneren Drang zum Wandern und zur Kriminalität konstruieren und die Gruppe als homogen markiert.

Kollektivsymbole sind Trompeta zufolge beachtenswert, da sie im hohen Maße das gesellschaftliche Gesamtbild prägen und dem Individuum eine Orientierung in einer komplexen Welt bieten. Diese werden auch von den Medien mit produziert. Dabei wird auf der Symbolebene in zwei Kategorien unterschieden: Die nach innen wirkende Subjektsymbole (wie Haus, Körper, Boot) und die nach außen wirkenden subjektlosen Symbole (Naturkatastrophe, Krankheit). Hierbei steht erstere für die westliche Kultur, das Sozialsystem, Deutschland usw. welche wiederum bedroht wird von nicht abschätzbaren immateriellen oft diffusen Elementen, die eine Gefahr für den inneren Zusammenhalt/die Gesellschaft darstellen würden. Ähnliche Symboliken finden sich auch in anderen Diskursen wieder, wie etwa während der Asyldebatte in den 1990er Jahren. Trompeta stellt wiederkehrende Symbolkategorien in den antiziganistischen Kommentaren fest und analysiert diese: Haus, Boot/Flut, Staat/Militär und Körper/Krankheit.

In einem Fazit stellte sie fest, dass Redaktionen oft eine konkrete Handlungsanweisung und Wissen um Antiziganismus fehlte, um adäquat auf Kommentare eingehen zu können und diese gegebenenfalls zu löschen. Die untersuchten Kommentare unterschieden sich dabei kaum von dem Inhalt der Artikel auf die sie sich bezogen. Dennoch wurden die journalistischen Beiträge, die oft schon rassistische Positionen enthielten, von den Kommentator*innen als kleinreden, verschleiern und verharmlosen wahrgenommen. Einige Kommentator*innen traten dabei sehr eloquent auf und generieren vermeintliche Wahrheitssprechung und Autorität durch das zitieren von Studien, Statistiken oder den eigenen Kontakt/ Erfahrung mit Roma.

Es handelt sich bei den Kommentaren oft um ein bestimmtes Repertoire aus Symbolbildern, die auch in anderen rassistischen Diskursen zu finden sind. Doch muss das spezifisch antiziganistische daran herausgestellt werden. Rassistische und antiziganistische Diskurse laufen gerade im Zuwanderungs- und Asyldiskurs oft zusammen.