Die deutschen Sinti und Roma trauern um Schriftsteller Günter Grass, der heute im Alter von 87 Jahren in einem Lübecker Krankenhaus verstarb. „Mit Günter Grass verliert nicht nur die Bundesrepublik Deutschland einen ihrer bedeutendsten Schriftsteller, sondern auch die Sinti und Roma in Europa einen engen Freund und Förderer“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose. 1999 war Rose bei der Verleihung des Literaturnobelpreises an Grass auf dessen Wunsch in Stockholm zu Gast.
Europas Umgang mit seiner größten Minderheit hat Günter Grass seit vielen Jahren bewegt. 1997 gründete er in seiner Heimatstadt Lübeck gemeinsam mit seiner Frau die „Stiftung zugunsten des Romavolks“, um die Roma zu fördern, über ihre kulturelle und soziale Lage in Geschichte und Gegenwart aufzuklären und zu Respekt und Toleranz beizutragen. In seiner Rede anlässlich der Stiftungsgründung sagte Grass, er setze sich für das Volk der Roma ein, „weil die Roma, zu denen auch die in Deutschland lebenden Sinti gehören, wie kein anderes Volk, außer dem der Juden, anhaltender Verfolgung, Benachteiligung und in Deutschland der planmäßigen Vernichtung ausgesetzt gewesen sind. Dieses Unrecht hält bis heute an.“ In Erinnerung an den Künstler Otto Pankok, der in seinem sozialkritischen Werk immer wieder das Schicksal der Sinti und Roma thematisierte und der von 1948 bis 1952 der Lehrer von Günter Grass an der Kunstakademie in Düsseldorf war, verleiht die Stiftung den Otto Pankok Preis, zuletzt im Jahr 2014 an den ungarischen Soziologen und Pädagogen Reno Zsigó.
Mit Günter Grass ist nicht nur ein kritischer Mahner gesellschaftlicher Missstände gestorben, sondern ein Mensch, der sich stets selbst aktiv in politische Debatten eingebracht hat. So kritisierte er 2010 in einem offenen Brief an Innenminister de Maizière mit deutlichen Worten die deutsche Abschiebepraxis in Bezug auf Roma aus dem Kosovo in dem er warnte: „Wer Menschenrechte in so eklatanter Weise missachtet, spielt mit der Zukunft des Friedens auf unserem Kontinent.“ Auch in der Auseinandersetzung mit der NPD im letzten Bundestagswahlkampfstärkte Günter Grass den Sinti und Roma den Rücken. Grass äußerte, dass Plakate und Flyer mit rassistischen Aussagen wie „Geld für die Oma statt für Sinti und Roma“ sich explizit gegen eine Volksgruppe richteten und nicht ungestraft verbreitet werden sollten.
Die deutschen Sinti und Roma werden das Engagement von Günter Grass für die gemeinsame Sache in dankbarer Erinnerung behalten.