Rechtsextreme und nationalistische Politiker in einer Vielzahl von Ländern Mittelost- und Südosteuropas wollen die gegenwärtige Krise, die durch den neuen Corona-Virus entstanden ist, nutzen, um ihre rassistischen Positionen jetzt als Regierungshandeln zu legitimieren und umzusetzen.
In Bulgarien forderten Politiker der extremen Rechten die Regierung auf, als „nationale Maßnahme“ Kontrollstellen an allen von Roma bewohnten Stadtvierten einzurichten. In der Folge haben nationale und lokale Behörden bereits mehrere Roma-Stadtviertel abgeriegelt. Damit werden Roma grundrechtswidrig von jeder medizinischen Versorgung ausgeschlossen, die Versorgung mit Lebensmitteln und allen anderen Gütern des täglichen Bedarfs wird abgeschnitten. Damit bereiten die staatlichen Institutionen bewußt eine humanitäre Notlage vor. Der Rassismus gegen Roma, der in diesen Ländern massiv und gewaltbereit seit Jahren existiert, bekommt durch dieses staatliche Handeln eine neue Qualität. Damit ist wieder die Gefahr von neuen Pogromen gegen Roma gegeben.
Die Krise, die der Corona-Virus international ausgelöst hat, trifft alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft. Anstelle von Stigmatisierung und Ausgrenzung müssen die verantwortlichen Regierungen die besonders bedrohte Situation von Roma in den Ländern Mittel- und Südosteuropas anerkennen und umgehend zielgerichtete Maßnahmen ergreifen. Infolge des bestehenden strukturellen Rassismus in vielen Regionen haben große Teile der Roma-Bevölkerungen keinen Zugang zu Trinkwasser und leben oftmals in desolaten Wohnverhältnissen. Die Regierungen dieser Länder tragen seit Jahrzehnten die Verantwortung für die systematischen Versäumnisse beim Aufbau einer vernünftigen Infrastruktur in den vielen ausschließlich von Roma bewohnten Stadtvierteln und Siedlungen. „Der Zentralrat fordert diese Regierungen und die Europäische Union auf, ihrer Verantwortung jetzt endlich gerecht zu werden und nicht zuzulassen, daß Roma erneut als Sündenböcke von Nationalisten und Rassisten mißbraucht werden“, erklärte heute Romani Rose.
Der Zentralrat begrüßt die Initiativen vieler Regierungen, Informationen über den Virus in allen Sprachen und an alle Bürger zu verbreiten. Die enge Kooperation mit den nationalen und lokalen Roma-Organisationen, die bereits intensiv die Information und Aufklärung von Roma in ihrer Region unterstützen, ist hierbei von grundlegender Bedeutung. Der Zentralrat begrüßt ebenso die Initiativen von zivilgesellschaftlichen Organisationen mit Unterstützung von Regierungen Lebensmittel- und Hygienepakete an benachteiligte Bevölkerungsgruppen auszugeben.
Mit Sorge sehen jedoch der Zentralrat und andere internationale Menschenrechtsorganisationen, daß große Teile der Roma-Bevölkerungen, die seit dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten sich in einer zunehmend desolaten Lage befinden, jetzt auf Dauer ohne jede Einkommensmöglichkeit sind. „Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wendet sich daher umgehend an die Regierungen in den jeweiligen Ländern, an die Institutionen der Europäischen Union und des Europarates, die humanitäre Hilfe für alle betroffenen Menschen, die ohne Versorgung sind, sicherzustellen“, so Romani Rose.