Wegen der erneuten massiven und pauschalen Kriminalisierung und Stigmatisierung von Sinti und Roma in der auf RTL im Rahmen der Drittsendezeit am 29. März 2021 ausgestrahlten Spiegel TV Reportage „Perfide Abzocke mit Terrassenreinigung: Einmal saubermachen für 5.000 Euro“ legt der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma Beschwerde bei der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) ein.
„Der Beitrag stärkt damit massive Vorurteile gegenüber der gesamten Minderheit, die – wie die Anschläge zuletzt in Hanau zeigten, bei denen auch Roma Opfer wurden – zu Gewalt und selbst zu Mordanschlägen führen. Sendungen wie dieses schüren Hass gegen unsere Minderheit, die sich in unzähligen gewaltvollen dehumanisierenden Hasskommentaren im Internet entladen und zu Angriffen auf Sinti und Roma im realen Leben führen. Dies dokumentieren insbesondere die Kommentarspalten unter dem Spiegel TV Beitrag in den sozialen Medien“ kritisiert Romani Rose.
Die Spiegel-Reportage missachtet grob die journalistischen Grundsätze und insbesondere die Vorgaben des Niedersächsischen Mediengesetzes (NMedienG). Nach Auffassung des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma verstößt dieser Beitrag ebenso gegen die eindeutigen Vorgaben des Medienstaatsvertrages, vor allem §19 zur Sorgfaltspflicht journalistisch-redaktionell gestalteter Angebote und gegen die Programmgrundsätze in §51, nach denen Programme sowohl die Würde des Menschen zu achten haben als auch auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinwirken sollen, sowie gegen § 14 Abs. 1, 2 NMedienG und § 10 Abs. 1 RStV i.V.m.
Mit den verwendeten Begriffen wie „Roma-Clan“ wird gezielt der gesamten Minderheit Kriminalität allein aufgrund der Abstammung unterstellt. In der jetzt kritisierten Sendung zeigt Spiegel-TV Menschen mit wiederholter Namensnennung und mißachtet damit die Grenzen einer sachorientierten Berichterstattung. Spiegel-TV hebt mit dieser Beichterstattung auf den Hintergrund einer „Sippenhaftung“ ab, bei dem allein „Verwandtschaftsverhältnisse“ ausreichen, um einem vermeintlichen „Roma-Clan“ zugerechnet zu werden. Beim Zentralrat Deutscher Sinti und Roma haben sich mehrere Familien gemeldet, die den gleichen Namen wie die im Spiegel-TV genannten Namen tragen und die jetzt als völlig unbeteiligte Menschen von Spiegel-TV öffentlich mit an den Pranger gestellt werden. Eine derartige Darstellung verletzt massiv die Wahrung der Menschenwürde und damit den § 51 Medienstaatsvertrag sowie §14 Abs. 1, 2 NMedienG.
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma erwartet jetzt von der NLM eine grundsätzliche Prüfung der erhobenen Vorwürfe, insbesondere auch, inwieweit Spiegel-TV hier Bilder von Betroffenen aus privaten Videos verwenden kann. Spiegel TV verwendet private Videoaufnahmen und Facebook Profile, so daß der Zentralrat hier ausdrücklich die Frage nach der Verletzung von Urheber- und Nutzungsrechten stellt. Damit wird gegen Richtlinie 8.4 des Pressekodex verstoßen, die besagt, dass „bei Familienangehörigen und sonstigen durch die Veröffentlichung mittelbar Betroffenen, die mit dem eigentlichen Gegenstand der Berichterstattung nichts zu tun haben, … Namensnennung und Fotoveröffentlichung in der Regel unzulässig“ sind.
Herbert Heuß
Wissenschaftlicher Leiter