Requiem für Auschwitz – Konzert zum Gedenken an die Opfer des NS-Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung

Die Roma und Sinti Philharmoniker und das Synagogal Ensemble Berlin bei der Aufführung des „Requiem für Auschwitz“ im Berliner Dom © Benjamin Renter / Zentralrat Deutscher Sinti und Roma

Am Vorabend des Internationalen Holocaust Gedenktages führten die Roma und Sinti Philharmoniker gemeinsam mit dem Synagogal Ensemble Berlin am 26. Januar 2020 das „Requiem für Auschwitz“ von Roger Moreno-Rathgeb im Berliner Dom auf. Zum ersten Mal traten dabei die Roma und Sinti Philharmoniker mit dem Synagogal Ensemble Berlin auf. Gemeinsam musizieren sie zur Würdigung der Opfer und Überlebenden sowie zum Gedenken an den 75. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau.

In seiner Rede betonte Romani Rose die Bedeutung eines lebendigen Gedenkens und rief auf zu einem gemeinsamen Kampf für unsere demokratische Wertegemeinschaft: „Der Name „Auschwitz“ steht als Symbol für den Holocaust an den Sinti und Roma, in dem 500 000 Menschen den Tod fanden, für 6 Millionen ermordete Juden und für alle anderen Menschen, die unter dem nationalsozialistischen Terror gelitten haben oder durch ihn umkamen. Erinnern an die Opfer der nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen bedeutet immer auch gelebte Verantwortung für die Gegenwart und für unser Gemeinwesen. Dabei darf Erinnern nicht zu einem leeren Ritual erstarren. Es muss ein lebendiges Gedenken sein – so wie diese Aufführung, bei der die Musikerinnen und Musiker der Roma und Sinti Philharmoniker und des Synagogal Ensembles Berlin gemeinsam aller Opfer des Holocaust gedenken. […] Wir haben allen Grund stolz zu sein auf die Errungenschaften unserer Demokratie, die unsere Freiheit, und unseren Wohlstand garantiert, die aber nur bestehen kann, wenn die Verantwortung für das Gemeinwesen nicht durch egoistische Einzelinteressen ausgehöhlt wird. Der Kampf gegen Antiziganismus, Antisemitismus und jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung. Ich rufe Sie daher alle auf, sich gemeinsam und mit aller Kraft gegen jeden Versuch zu stemmen, unser friedliches Zusammenleben zu zerstören, unsere demokratische Wertegemeinschaft zu spalten und die Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft auszulöschen.“

Staatsminister Michael Roth drückte in seinem Grußwort die Bedeutung der Sprache der Musik aus, da trösten zu können, wo Worte versagen. Er appelierte darüber hinaus an die Verantwortung aller Bürgerinnen und Bürger sich für eine demokratische und bunte Gesellschaft zu engagieren: „Wir trauern um Freundinnen und Freunde, die wir nie kennenlernen durften. Um Kinder, die ihre Lebensträume nie verwirklichen konnten. Um Musikerinnen, deren Klängen wir nie lauschen durften. Um Künstler, deren Werke wir nie zu Gesicht bekommen haben. Um Menschen, deren Güte und Wärme wir nie erfahren durften. […] Und dennoch dürfen wir am heutigen Tag nicht nur zurückblicken. Denn wir leben auch heute wieder in brandgefährlichen Zeiten. […] Demokratieverachtung wird mit den Worten „Man wird doch wohl noch sagen dürfen…“ als legitime Kritik verharmlost. Bürgermeister verzichten auf eine Wiederwahl, weil sie der ständigen Bedrohungen müde sind und ihre Familien vor dem rechten Mob schützen wollen. Aufrechte Demokraten, die nicht schweigen und sich wegducken, werden mit dem Tode bedroht. Wir haben zu lange geschwiegen und abgewiegelt, als rote Linien schleichend und immer wieder überschritten wurden. Es reicht nicht mehr, sich in der Mehrheit zu wähnen. Jetzt heißt es für uns als Demokratinnen und Demokraten, dagegenzuhalten und sich klar und deutlich von der oft lauteren rassistischen und antisemitischen Minderheit klar abzugrenzen.“

Programmheft zum Konzert

Beitrag der Deutschen Welle anlässlich des Konzertes am 8. Januar 2020 in Frankfurt am Main.


Dirigent Riccardo M Sahiti © Benjamin Renter / Zentralrat Deutscher Sinti und Roma

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Hintergrund

ROMA UND SINTI PHILHARMONIKER
Die Roma und Sinti Philharmoniker sind ein Projektorchester unter dem Dach des Philharmonischen Vereins der Sinti und Roma Frankfurt am Main e.V. Es besteht aus professionell ausgebildeten Roma- und Sinti-Musikern, die hauptberuflich in Sinfonie- und Opernorchestern Europas engagiert sind. Es wird von Riccardo M Sahiti künstlerisch geleitet. Die Roma und Sinti Philharmoniker haben sich zum Ziel gesetzt, das musikalische Erbe der Roma und Sinti mit ihrer jahrhundertealten Musiktradition und ihren mannigfaltigen Einflüssen auf die klassische Musik aufzuzeigen und zu bewahren. Sie führen Werke auf, die die stilistische Einflussnahme durch die Musik der Roma und Sinti in sich tragen. Die Roma und Sinti Philharmoniker verstehen sich als Botschafter der Roma- und Sinti-Musikkultur, aber auch einer völkerverbindenden Botschaft über Staats- und Kulturgrenzen hinweg.

DIRIGENT RICCARDO M SAHITI
Riccardo M Sahiti, gebürtiger Rom, schloss 1990 seine Studien in Dirigieren und Musikpädagogik an der Fakultät für Musikkunst in Belgrad bei Prof. Stanko Sepic ab. Diese Ausbildungsphase vertiefte er durch opernsinfonisches Dirigieren am Konservatorium »P. I. Tschaikowsky« in Moskau bei Yuri Ivanovic Simonov sowie an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main bei Prof. Jirí Stárek. Er besuchte Meisterkurse bei Jorma Panula und Péter Eötvös. Dirigiererfahrung sammelte er unter anderem vor Orchestern wie den Belgrader Philharmonikern, den Schlesischen Philharmonikern Kattowitz, dem Radio-Sinfonieorchester Beograd und dem Sinfonieorchester Savarija Szombathely, Ungarn.

KOMPONIST ROGER MORENO-RATHGEB
Der schweizerisch-holländische Sinto-Komponist, Musiker und Arrangeur Roger Moreno-Rathgeb hat sein »Requiem für Auschwitz« allen Opfern des nationalsozialistischen Regimes gewidmet. Es entstand unter dem Eindruck seines Besuchs der KZ-Gedenkstätte in Auschwitz. »Schon, als ich das Areal von Auschwitz betreten hatte, entstand bei mir das Anfangsthema des Requiems in meinem Kopf«, erinnert sich der Komponist an die Entstehung des einstündigen Werkes, die sich dann als Ausdruck seines individuellen »Traumas von Auschwitz« zur Schreibblockade manifestierte und über mehrere Jahre erstrecken sollte.

DAS SYNAGOGAL ENSEMBLE BERLIN
Das Synagogal Ensemble Berlin (SEB) wurde 2002 von Regina Yantian und Kantor Isaac Sheffer als Konzertensemble gegründet. Es besteht aus 8 bis 16 professionellen Sängern, die an internationalen Opernhäusern arbeiten und als freischaffende Konzertsänger u.a. auch im Chor der Synagoge Pestalozzistraße tätig sind. Ziel des Synagogal Ensemble Berlin ist, einem breiten Publikum die jüdische Liturgie und kantorale Musik mit dem Schwerpunkt auf der deutschen Tradition nach Louis Lewandowski nahe zu bringen – ein Musikgenre, das fast in Vergessenheit geraten war und bei Musikkennern sehr beliebt ist. Seit 2011 ist das Synagogal Ensemble Berlin das gastgebende Ensemble des alljährlich in Berlin stattfindenden Louis Lewandowski Festivals. Sein Gründer, Nils Busch-Petersen, gehört gleichzeitig dem Vorstand des Vereins der Freunde und Förderer des Synagogal Ensemble Berlin an. In jedem Jahr werden dabei Chöre aus aller Welt nach Berlin eingeladen, um die Schätze synagogaler Musik verschiedener Epochen und Regionen dem Berliner Publikum bekannt zu machen.

MUSIKALISCHE LEITERIN REGINA YANTIAN
Regina Yantian begann im Alter von zehn Jahren ihre Ausbildung zur Organistin und später zur Chorleiterin. Sie studierte in Heidelberg, Jerusalem und Berlin Jüdische Studien und Vergleichende Musikwissenschaften. Von 2004 bis 2011 leitete sie den von Estrongo Nachama gegründeten Shalom-Chor Berlin. Zu ihren derzeitigen Ensembles gehören der Jugendchor der Synagoge Pestalozzistraße und der Re´utchor Berlin. 2002 gründete sie das professionelle Synagogal Ensemble Berlin, mit dem sie häufig im In- und Ausland auftritt. Regina Yantian spielte u.a. die Orgelsinfonie von Camille Saint-Saëns in der Konzerthalle »Carl Philipp Emanuel Bach« in Frankfurt/Oder und begleitet Kantor Isaac Sheffer in dessen Solokonzerten. Gemeinsam mit Kantor Isaac Sheffer und dem Synagogal Ensemble Berlin brachte sie vier CDs mit jüdisch-liturgischer Musik aus unterschiedlichen Epochen heraus. Seit 2011 ist sie die Künstlerische Leiterin des Louis Lewandowski Festivals.

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