Erinnerung an die Opfer des NS-Völkermordes an Sinti und Roma in der Gedenkstätte KZ Sachsenhausen

Gemeinsames stilles Gedenken von Zentralrat, brandenburgischer Landesregierung und Gedenkstättenleitung
Zwei Tannenkränze vor einer Mauer
Kränze des Landes Brandenburg und des Zentralrats

Kultur- und Wissenschaftsstaatssekretär Tobias Dünow hat heute anlässlich des 81. Jahrestags des ‘Auschwitz-Erlasses‘ gemeinsam mit Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Christian Pfeil, deutscher Sinto und Überlebender des Völkermordes, sowie Astrid Ley, stellvertretende Leiterin der Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, am zentralen Gedenkort ‘Station Z‘ in der Gedenkstätte Sachsenhausen (Landkreis Oberhavel) der Opfer des Völkermordes an Sinti und Roma gedacht. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und die Gedenkstätte Sachsenhausen haben zudem an den langen Kampf um Anerkennung der Menschheitsverbrechen nach 1945 erinnert.

Staatssekretär Tobias Dünow: „Der Völkermord an den Sinti und Roma wird bis heute oft nicht nur ‘vergessen‘, sondern auch aktiv negiert – ein erinnerungspolitischer Frevel. Unsere Verantwortung ist es, an die NS-Verbrechen an Sinti und Roma, ihre jahrhundertelange Ausgrenzung, an Verfolgung und Gräuel zu erinnern. Es geht aber nicht nur um die Geschichte. Es geht auch um den Kampf gegen Diskriminierung in der Gegenwart. Es ist mehr als Zeit, dass gesellschaftlich akzeptiert wird, dass Sinti und Roma zu unserer Gesellschaft, unserer Geschichte, unserer Kultur gehören.“

Astrid Ley, stellvertretende Leiterin der Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen: „Mehr als 1.000 Sinti und Roma, vor allem aus Deutschland, Frankreich, Ungarn und Jugoslawien, waren zwischen 1936 und 1945 im KZ Sachsenhausen inhaftiert, wo sie – ähnlich wie die jüdischen Gefangenen – unter besonders schlimmen Haftbedingungen litten. Nur knapp ein Viertel von ihnen erlebte das Kriegsende. 400 deutsche Sinti und Roma wurden im KZ Sachsenhausen überdies anthropologischen Zwangsuntersuchungen unterzogen, um ihnen die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen. Auf Grundlage solcher anthropologischen Gutachten wurden später zehntausende im deutschen Reichsgebiet lebende Sinti und Roma in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt. Die meisten von ihnen wurden dort ermordet. Hunderttausende Sinti und Roma wurden von ‘Einsatzgruppen‘ der SS vor allem in Ost- und Südosteuropa erschossen. Gesellschaftliche Ausgrenzung, Diskriminierung, Rassismus und Antiziganismus hatten dem NS-Genozid an den Sinti und Roma den Weg bereitet. Auch heute sind Angehörige der Minderheit alltäglich Diskriminierung ausgesetzt. Unsere heutige Gedenkveranstaltung ist daher auch der Appell, endlich gleiche Rechte und einen wirksamen Schutz vor Verfolgung, Hetze und Diskriminierung für die Sinti und Roma zu schaffen.“

Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma: „Auf unseren Straßen in Deutschland herrscht heute wieder ein Klima, in dem Sinti und Roma und Jüdinnen und Juden wieder Schutz in der Anonymität suchen, während nationalistische und rechtsextreme Kräfte offen auf die Straße gehen und in den Parlamenten ihren Antiziganismus und Antisemitismus verbreiten. Sie haben keinerlei Respekt vor dem Rechtsstaat und unserer Demokratie. Es bereitet mir große Sorge, dass dieser Hass ein solches Ausmaß annimmt und auch Fälle von Übergriffen und Gewalt sich wieder häufen. Dieses Klima und diese Entwicklungen schüren Ängste in der Minderheit. Unsere ganze Gesellschaft ist gefragt, dem entgegenzutreten. Das Wissen unserer Gesellschaft um den Holocaust an 500.000 Sinti und Roma und sechs Millionen Jüdinnen und Juden ist eine Verpflichtung für unsere gesamte Gesellschaft und damit unseren Rechtsstaat. Wir müssen den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Frieden stärken und dürfen solche Hetze nie wieder akzeptieren. Damit schützen wir nicht nur Sinti und Roma. Letztendlich ist der Schutz von Minderheitenrechten ein Eintreten für den Schutz der demokratischen Grundrechte aller Menschen.“

Christian Pfeil, deutscher Sinto und Überlebender des Völkermordes: „Ich appelliere an unsere Politik als jemand, der das Ghetto in Lublin überlebt hat. Die gesamte Gesellschaft und staatliche Bürokratie müssen das Wissen um unsere Geschichte als Verpflichtung ansehen, den Rechtsstaat wehrhaft zu verteidigen. Wir dürfen nicht zulassen, dass heutige Nazis die Meinungsfreiheit missbrauchen, um Ihre Hetze zu verbreiten. Wo die Menschheitsverbrechen und damit die historischen Tatsachen geleugnet werden, gilt es, mit allen Mitteln der Justiz und des Rechtsstaats entgegenzutreten.“

 

Christian Pfeil wurde 1944 im Ghetto Lublin geboren, wohin seine Eltern und älteren Geschwister im Mai 1940 von Trier aus deportiert worden waren. Wie durch ein Wunder überlebten er und seine engsten Angehörigen die menschenunwürdigen Bedingungen. Viele Verwandte hingegen wurden ermordet. Nach der Befreiung kehrten er und seine Familie nach Trier zurück. Dort baute er sich eine erfolgreiche Existenz als Gastronom auf, die immer wieder durch rechtsextreme und rassistische Gewalttaten überschattet wurde. Seit vielen Jahren setzt er sich für die Stärkung des lokalen Gedenkens in seiner Heimatstadt ein.

Am 16. Dezember 1942 unterzeichnete Heinrich Himmler, Reichsführer der SS, den so genannten Auschwitz-Erlass, der die Deportation aller auf dem Gebiet des deutschen Reiches lebenden Sinti und Roma anordnete. Mehr als 10.000 deutsche Sinti und Roma waren von den Deportationen betroffen. Rund 1.000 von ihnen waren zwischen 1936 und 1945 im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Insgesamt fielen europaweit eine halbe Million Sinti und Roma dem Genozid der Nationalsozialisten zum Opfer. Weitere Informationen: www.sachsenhausen-sbg.de

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