Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma gedenkt am 2. August dem 80. Jahrestag der Ermordung der letzten noch lebenden Angehörigen der Minderheit in Auschwitz. In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 wurden im Vernichtungslager Auschwitz 4300 Sinti und Roma; Frauen, Kinder und ältere Menschen, von der SS gegen ihren erbitterten Widerstand in die Gaskammern getrieben. Das Europäische Parlament erklärte im Jahr 2015 den 2. August zum Europäischen Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma, um an die 500.000 Angehörigen der Minderheit zu erinnern, die im NS-besetzten Europa ermordet wurden.
Alma Klasing, Überlebende des Holocaust, die nahe Angehörige in Auschwitz verloren hat, betonte in ihrer Ansprache in Auschwitz: „Die Wahlerfolge der rechten Parteien machen mir große Angst. Deshalb möchte ich gerade die Jugend vor diesen falschen Propheten warnen und bitte Euch von ganzem Herzen: Verteidigt unsere Demokratie.“
Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, verwies auf das Vermächtnis aller Ermordeten von Auschwitz, deren Asche den Boden des Vernichtungslagers bedeckt. Er betonte: „Die Erfahrung aus der Nazi-Herrschaft verpflichtet uns, die Menschenwürde und die Menschenrechte überall und für jeden zu verteidigen. Die Demokratien müssen wieder die universellen Menschenrechte ins Zentrum ihres Handelns stellen. Wir wissen, dass tausende Menschen jedes Jahr im Mittelmeer ertrinken oder in der Wüste von Libyen und Tunesien ausgesetzt werden. Das Vermächtnis der Ermordeten von Auschwitz verbietet es uns, dies gleichgültig hinzunehmen.“
„Auschwitz steht für das größte Verbrechen, das Menschen Menschen jemals angetan haben. Es steht für den Zivilisationsbruch, der von Deutschland ausging. Für den Willen, das europäische Judentum zu vernichten. Für den Völkermord an den Sinti und Roma. Hier in Auschwitz endete der Rassenwahn der Nationalsozialisten in der grausamen Auslöschung von Menschenleben.“, sagte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas in ihrer Rede. Sie ist die erste Spitzenrepräsentantin des Bundestages, die nach Auschwitz gereist ist, um an diesem Ort der schlimmsten deutschen Menschheitsverbrechen aller Menschen zu gedenken, die dort von den Nationalsozialisten ermordet wurden: der Sinti und Roma, der Juden, der Polen, der Angehörigen anderer Nationen.
Bärbel Bas würdigte am Gedenktag das Engagement der Sinti und Roma, gegen das Verdrängen und Beschweigen der Verbrechen anzukämpfen: „Die Überlebenden der Sinti und Roma, ihre Kinder und Enkel haben diesen Kampf auf sich genommen. Sie haben das Schweigen gebrochen und Deutschland mit seinen Verbrechen konfrontiert. Und sie haben auf Gleichberechtigung bestanden…. Sie haben der Demokratie und der Erinnerungskultur in Deutschland einen großen Dienst erwiesen. Heute hat das Leiden der Sinti und Roma einen festen Platz im öffentlichen Gedenken Deutschlands. Das Bewusstsein für den Völkermord an den Sinti und Roma und die historische Verantwortung ist immer noch nicht selbstverständlich. Feindliche Einstellungen und Diskriminierungen sind immer noch weit verbreitet. Wir brauchen Respekt und Akzeptanz.“
Auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, verurteilte in seinem Grußwort, dass Sinti und Roma auch in Europa weiter tradiertem Antiziganismus ausgesetzt sind.
Der Vorsitzende der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel, Dani Dayan, drückte in seiner Ansprache seine Solidarität mit den ermordeten Sinti und Roma aus: „An diesem zentralen und symbolischen Gedenktag, an diesem schrecklichen und doch bedeutungsvollen Ort, möchte ich im Namen des jüdischen Volkes unsere tiefe Anerkennung des katastrophalen Völkermordes an den Roma und Sinti zum Ausdruck bringen, der gleichzeitig mit dem Holocaust stattfand, und mich mit Ihrem ewigen Leid identifizieren.“
Romani Rose machte in der Gedenkstätte deutlich: „Auschwitz steht als Symbol für den Holocaust, den die Nazis an 500.000 Sinti und Roma und sechs Millionen Juden im NS-besetzten Europa verübten. Es gibt unter uns Sinti und Roma kaum eine Familie, die mit dem Namen „Auschwitz“ nicht die Ermordung ihrer Angehörigen verbindet.“
Zum Hintergrund:
Der 2. August wurde im Jahr 2015 vom Europäischen Parlament als Europäischer Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma anerkannt. Die jährliche internationale Gedenkveranstaltung in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau am 2. August wird vom Zentralrat und dem Verband der Roma in Polen in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau organisiert.
Neben Angehörigen der Minderheit der Sinti und Roma aus vielen Ländern, Repräsentanten des polnischen Staates, und anderer internationaler Institutionen und Organisationen, waren auch diesmal die Botschafter verschiedener Länder und weitere diplomatische Vertreter anwesend. Zusammen mit dem Internationalen Roma Jugendnetzwerk TERNYPE organisierte das Heidelberger Dokumentations- und Kulturzentrum zudem erneut in Krakau unter dem Titel „Dikh He Na Bister“ („Schau hin und vergiss nicht“) eine mehrtägige Bildungsveranstaltung mit über 200 jungen Sinti und Roma sowie Nicht-Angehörigen der Minderheit aus ganz Europa, die auch an dem Gedenkakt teilgenommen haben.
Die Gedenkveranstaltung wurde live über die Website https://www.roma-sinti-holocaust-memorial-day.eu/ gestreamt. Das Video ist dort dauerhaft mit einem breiten Informationsangebot (DE/EN/PL/Romanes) zum Holocaust an der Minderheit verfügbar.