Ikone der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung Jesse Jackson Gastredner beim Europäischen Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma

„We’ve never lost a battle when we’ve fought. We never won a battle unless we fought. It’s time to organize and fight back.“ Rev. Jesse L. Jackson Sen., 2. August 2019, Auschwitz -Birkenau © Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma / Jarek Praszkiewicz

Zum 75. Jahrestag der Ermordung von etwa 4.300 Sinti und Roma am 2. August 1944 sprach Jesse L. Jackson Sen. am historischen Ort dieses Verbrechens, im ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau vor 1.500 Gästen. Er betonte die Gemeinsamkeit des Kampfes der Afro-Amerikaner und der Sinti und Roma gegen Unterdrückung: „Die Angehörigen der Sinti und Roma in Europa sahen sich derselben Not gegenüber wie die Afro-Amerikaner – Opfer von Völkermord und Gewalt; Entmündigung, Ausgrenzung und Marginalisierung. Dieses Erbe hat die Roma-Bevölkerung in Armut hinterlassen, mit ungleicher Bildung, isolierten Wohnsituationen, das Ziel von gewalttätigen Angriffen von rechten Nationalisten, Folter, sogar Mord, Folter. Sinti und Roma – wie Afro-Amerikaner und People of Colour – haben lange unter der Verwehrung von Menschen- und Bürgerrechten gelitten.“

Er rief zu politischem Widerstand auch in Zukunft auf: „Wir haben nie einen Kampf verloren, wenn wir gekämpft haben. Wir haben nie einen Kampf gewonnen, solange wir nicht gekämpft haben. Es ist Zeit, sich zu organisieren und sich zu wehren. Wenn uns die Geschichte eines gelehrt hat, ist es, dass, wo immer Unterdrückung ist, auch Widerstand ist. Menschen werden nach vorne schreiten mit Hoffnung und Einigkeit, nicht zurück mit Furcht und Spaltung.“

Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, wies auf die Verantwortung gegenüber der Geschichte hin, die es auch für die Zukunft und die kommenden Generationen zu wahren gilt: „Es ist das Vermächtnis aller Opfer des Holocaust, aller von den Nazis ermordeten Menschen, das wir in uns tragen müssen. Dieses Vermächtnis müssen wir an die nachfolgenden Generationen weitergeben – bei den vielen jungen Menschen, die heute hier sind, habe ich keinen Zweifel, dass uns das gelingen wird. Dieses Vermächtnis fordert von uns, dass wir Verantwortung übernehmen für Demokratie und Rechtsstaat, für Menschenrechte und Menschenwürde. Heute und in der Zukunft.“

Jackson und Rose unterzeichneten gemeinsam mit Roman Kwiatkowski, dem Vorsitzenden des Verbands der Roma in Polen, den „Aufruf von Auschwitz“, den sie „an die Regierungen der Weltgemeinschaft und an die überstaatlichen Organisationen“ richteten und in dem sie appellierten, „jede Form von Rassismus, Antiziganismus und Antisemitismus konsequent zu bekämpfen.“

„Ich habe am eigenen Leib erfahren, wohin Antiziganismus, Antisemitismus und Rassismus führen“, sagte Else Baker, die als Kind von den Nationalsozialisten nach Auschwitz-Birkenau verschleppt wurde, in ihrer Rede. Auch sie appellierte an die Verantwortung, die für alle Menschen aus dem Holocaust erwächst: „Wir alle – die Überlebenden der Vernichtungslager genau wie die Nachgeborenen – müssen für Menschenrechte und Demokratie eintreten. Wir dürfen uns nie sicher sein, dass sich die Verbrechen der Nazis nicht wiederholen.“

Die jüdische Überlebende des Holocaust und Augenzeugin der Vernichtungsaktion der SS vom 2. August 1944, Evá Fahidi aus Ungarn, zeigt sich in ihrer Rede unversöhnlich. Sie sagte: „Und so oft ich mich an diese entsetzliche Nacht erinnere, weil ich es für meine Pflicht halte, darüber zu sprechen, damit es nicht in Vergessenheit gerät, wünsche ich denjenigen, die in dieser Nacht gemordet haben, dass so lange sie leben und sogar noch darüber hinaus, sie nichts im Leben hören sollen als die schrecklichen Töne dieser Nacht.“

Nadir Dedic, bosnischer Rom aus Kroatien, sprach ebenfalls als Überlebender des Holocaust zu den Gästen der Gedenkveranstaltung. Er prangerte die fortgesetzte Diskriminierung der Minderheit und die Leugnung des Holocaust an den Sinti und Roma an: „Es quält mich sehr, dass mit dem Ende des Zweiten Weltkrieg nicht auch die Diskriminierung und die Ausgrenzung unserer Minderheit ein Ende nahmen. Ganz im Gegenteil: Nach dem Krieg wurden die Gräueltaten an unser Minderheit öffentlich geleugnet. Dieses Schweigen und Verdrängen konnte ich nicht ertragen.“

Jedes Jahr erinnern der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und der Polnische Roma-Verband in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau an die Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma während des Nationalsozialismus. Bei der Gedenkveranstaltung waren die Regierungen Polens, Deutschlands und anderer Staaten, wie auch internationale Organisationen hochrangig vertreten.

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