Der Zentralrat kritisiert in seiner heute veröffentlichten Stellungnahme die Entscheidung der Bundesregierung, nach Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien nun auch Albanien, Kosovo und Montenegro zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. „Die Entscheidung der Bundesregierung wird den realen Gegebenheiten vor Ort in keiner Weise gerecht und wird insbesondere für die Roma-Minderheiten aus und in den genannten Staaten schwerwiegende Folgen haben“, so der Vorsitzende des Zentralrats, Romani Rose, heute.
„Alle einschlägigen Berichte des Europarates und anderer unabhängiger Menschenrechtsorganisationen belegen, dass die Lage von Roma in den westlichen Balkanstaaten – insbesondere im Kosovo – nach wie vor von systematischer Ausgrenzung und Benachteiligungen gekennzeichnet ist, die in ihrer Kumulierung der Schwere einer Verfolgung gleich kommen können“, so Rose weiter. Die Bestimmung weiterer Staaten als „sichere Herkunftsländer“ sei insofern verfassungsrechtlich bedenklich und bedeute eine Aushöhlung des individuellen Grundrechts auf Asyl, so der Vorsitzende. Die Gründe für ein Asylbegehren müssten auch künftig umfassend und mit aller Sorgfalt geprüft, die vielfältigen Ausgrenzungen und Diskriminierungen, denen Angehörige der Roma-Minderheit ausgesetzt sind, ernst genommen werden.
Insbesondere lasse die geringe Anerkennungsquote von Asylbewerbern durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), der im Gesetzgebungsverfahren bei der Einstufung von Albanien, Kosovo und Montenegro zu sicheren Herkunftsländern die Rolle eines Indizes eingeräumt wurde, keinen Schluss auf die Sicherheit eines Staates zu. So heben Verwaltungsgerichte in Deutschland regelmäßig ablehnende Entscheidungen das BAMF wieder auf. Verwiesen werden müsse darüber hinaus auf die weit auseinanderliegenden Anerkennungsquoten für Asylsuchende aus den entsprechenden Ländern im europäischen Vergleich, die weit über denen des Bundesamtes liegen, so Rose. So betragen die Anerkennungsquoten in Bezug auf die drei bereits als „sicher“ eingestuften Herkunftsländer Mazedonien, Serbien und Montenegro in einigen EU-Ländern wie Italien bis zu 67 % (vor allem aus Gründen des humanitären Schutzes). Die Sicherheitslage in den genannten Staaten wird damit von anderen EU-Ländern maßgeblich anders eingeschätzt als in der BRD.
Gleichwohl ist der Zentralrat überzeugt, dass die eigentliche Zielsetzung des politischen Handels auf die Bekämpfung der Fluchtursachen in den Heimatländern ausgerichtet sein muss. „Die jeweiligen Nationalstaaten sind in der Pflicht, die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe aller ihrer Bürger zu garantieren und internationale menschenrechtliche Standards im Umgang mit Minderheiten einzuhalten“, so Rose.
In diesem Zusammenhang ist es Aufgabe und Verpflichtung der OSZE, wie auch des Europarates und der Europäischen Union in wirksamer Weise für die Einhaltung der fundamentalen Schutzrechte gegenüber den Roma-Minderheiten in ihren jeweiligen Heimatländern zu sorgen. Auch die Bundesregierung ist aufgerufen, statt asylrechtliche Hürden für Flüchtlinge aus den West-Balkanstaaten zu erhöhen auf die Verbesserung der Situation vor Ort hinzuwirken und konkrete Maßnahmen und Projekte zu unterstützen.
Stellungnahme des Zentralrats zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz
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