Strafanzeige gegen Verfasser der rassistischen Aktenvermerke im „NSU“-Verfahren

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, erstattete heute bei Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall Anzeige gegen die Beamten und Psychologen der Baden-Württembergischen Polizei wegen der rassistischen Aktenvermerke, die im NSU-Prozess in München am vergangenen Donnerstag öffentlich erörtert wurden. Nach Presseberichten (SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vom 31.1.2014) war bezüglich des Falls der ermordeten Polizistin Michele Kiesewetter an verschiedenen Stellen die Rede von verdächtigten „Negern“ und „Zigeunern“, die „typischerweise lügen würden“. Später hätten Psychologen laut einem LKA-Vermerk über einen Lügendetektortest bei einem Roma-Angehörigen festgehalten, der Mann sei „ein typischer Vertreter seiner Ethnie“, was bedeute, dass „die Lüge ein wesentlicher Bestandteil seiner Sozialisation darstelle“.

In seinem Schreiben an Innenminister Gall verlangte der Zentralratsvorsitzende, die Verfasser der Vermerke und die Psychologen strafrechtlich und disziplinarisch wegen Verleumdung und Beleidigung zur Verantwortung zu ziehen und sicherzustellen, dass die Psychologen keine Gutachten mehr in staatlichem Auftrag verfassen. Bei den erst jetzt bekannt gewordenen Aktenvermerken handele es sich um schlimmen Rassismus, der dem Jargon der Nationalsozialisten ähnele, so Rose. Die Verfasser hätten gewusst, dass über diese Akten in einem öffentlichen Gerichtsverfahren verhandelt werden würde.

Rose bat Minister Gall auch um eine Erklärung der Distanzierung. „Es muss umgehend klargestellt werden, dass die Träger der politischen Verantwortung für die Polizei in Baden-Württemberg derartiges Gedankengut ächten, das sich scheinbar wie ein roter Faden durch  das Kiesewetter-Verfahren zieht. Man muss Sorge tragen, dass dafür kein Platz im Rechtsstaat ist“, schrieb Rose an den Innenminister in Stuttgart. Schon der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages hatte in seinem Abschlussbericht die Falschverdächtigung von Sinti und Roma in einem besonderen Kapitel kritisiert (S. 640 ff, BTDrucks. 17/14600)

Der Zentralrat befindet sich mit dem Innenministerium in Stuttgart bereits im Gespräch über Möglichkeiten der Aufarbeitung des „NSU“-Falles und Maßnahmen zur verbesserten
Sensibilisierung im Bereich der Polizeiausbildung.

PDF-Download

 

Verwandte Themen und Beiträge:

Verwandte Veranstaltungen:

Freitag 13 Okt 2017
Auf den Spuren des „Heilbronner Phantoms“. Zur Verdachtshaltung gegenüber Sinti und Roma bei Polizei und Medien
DokuZ Sinti und Roma Berlin
Prinzenstraße 84.2, 10969 Berlin
Mittwoch 28 Jun 2017
Ausstellung: „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“
DokuZ Sinti und Roma Berlin
Prinzenstraße 84.2, 10969 Berlin
Mittwoch 08 Mrz 2017
Eröffnung: Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen
Berliner Repäsentanz des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma Berlin im Aufbauhaus
Prinzenstraße 84.2, 10969 Berlin
Donnerstag 09 Mrz 2017
Ausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“
Berliner Repäsentanz des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma Berlin im Aufbauhaus
Prinzenstraße 84.2, 10969 Berlin