Auf nationaler und internationaler Ebene verfolgt der Zentralrat das Ziel das gesellschaftliche Bewusstsein für den Holocaust an Sinti und Roma weiter zu stärken und auf Grund der Verantwortung der europäischen Geschichte den Antiziganismus als spezifische Form des Rassismus anzuerkennen und in Europa zu ächten, um gleichzeitig den Antidiskriminierungsschutz, die Minderheitenrechte und die Partizipation der Minderheit zu sichern.
Nach dem Zivilisationsbruch des Holocaust an Sinti und Roma und Juden, ist es notwendig, dass die Gefahren des Antiziganismus genauso wie die des Antisemitismus ernst genommen und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Antiziganistische Denkstrukturen sind tief in der europäischen Kulturgeschichte verankert. Sie beeinflussen bis heute das Handeln von Menschen und von Institutionen und können nur langfristig verändert werden. In Deutschland und in vielen Ländern Europas wird der Antisemitismus konsequent gesellschaftlich geächtet. Hingegen wird dem Antiziganismus von Seiten der Politik und der Medien kaum Sensibilität und Aufmerksamkeit entgegengebracht.
Ein internationaler Meilenstein der Bürgerrechtsbewegung stellt das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarats dar, welches zur Anerkennung von Sinti und Roma als nationale Minderheit in Deutschland im Jahr 1997 führte, sowie die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen. Ein weiterer wichtiger Erfolg ist die am 15. April 2015 vom Europäischen Parlament angenommene Entschließung zur Anerkennung des Völkermords und von Antiziganismus als spezifische Form des Rassismus.
Der Zentralrat bildet seit 2015 eine stärkere Advocacy-Koalition mit anderen europäischen zivilgesellschaftlichen Organisationen (Amnesty, ENAR, ERGO, FSG, OSF, ERRC), um das substantielle Verständnis und die institutionelle Anerkennung von Antiziganismus weiter zu stärken. Zudem arbeitet der Zentralrat eng mit der „European Parliament Anti-Racism and Diversity Intergroup“ zusammen, die im Januar 2016 zum ersten Mal eingerichtet wurde und unter Leitung der schwedischen Abgeordneten Soraya Post auch eine Arbeitsgruppe zu Antiziganismus bildet. Darüber hinaus stärkt der Zentralrat kontinuierlich die zivilgesellschaftlichen Allianzen auf internationaler Ebene mit (pro)-Sinti/Roma Organisationen, welche für die gleichen Interessen und politischen Ziele eintreten.
Ächtung und Bekämpfung des Antiziganismus
Nach intensiven Gesprächen und Initiativen des Zentralrats bei der OSZE, nahm der diesjährige Vorsitz der deutschen Bundesregierung in der internationalen Organisationen für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa das Thema Bekämpfung von Antiziganismus als Priorität auf. Der Zentralrat entwickelt derzeit in Zusammenarbeit mit dem OSZE Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte, dem Europarat, dem deutschen Vorsitz (Auswärtiges Amt) und dem Europäischen Parlament eine „Interparlamentarische Koalition gegen Antiziganismus“ mit einer voraussichtlichen Auftaktveranstaltung am 6. September 2016.
Monitoring der EU Rahmenstrategie
Der Zentralrat begleitet kritisch die Arbeit der Europäischen Kommission und die Umsetzung der Europäischen Rahmenstrategie für nationale Roma Integrationsstrategien. Der Zentralrat nahm im Februar und Juni an Konsultationstreffen der Kommission mit (pro) Sinti und Roma Organisationen teil, kritisierte die bisher schlechte Überprüfung und Evaluation der Umsetzung der Strategien und forderte gezielte Maßnahmen gegen Antiziganismus, was in Zukunft in allen Themenbereichen (Bildung, Wohnung, Beschäftigung …) als horizontales Querschnittsthema Berücksichtigung finden müsste. Als positive Entwicklung in der Generaldirektion für Justiz ist zu erkennen, dass im Rahmen einer neuen hochrangigen Gruppe gegen Antisemitismus und Rassismus zukünftig auch Antiziganismus thematisiert wird. Zudem leitete die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn ein auf Grund der Bildungssegregation von Roma Kindern, wie auch schon 2014-2015 gegen Tschechien und die Slowakei.
Initiativen zur Bekämpfung der Fluchtursachen
Der Zentralrat unternahm zahlreiche weitere Initiativen zur Bekämpfung von Fluchtursachen, sowie der Stigmatisierung von Sinti und Roma in den Medien im Kontext der Flüchtlingsdebatte. In Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) lud der Zentralrat am 11. Februar zahlreiche deutsche Organisationen zu einem Treffen im BMZ in Berlin ein, welche in den Ländern des Westlichen Balkans Projekte und Initiativen von und mit Roma durchführen, bzw. unterstützen. Ziel war ein Austausch der Akteure zu ermöglichen und Erfolge und Herausforderungen der aktuellen Arbeit zu analysieren, sowie zukünftige Handlungsmöglichkeiten zu erörtern. Zudem führte der Zentralrat eine Umfrage durch zu diesem Thema bei Roma Organisationen in den Ländern des westlichen Balkans, bei deutschen Implementierungsorganisationen und den staatlichen Einrichtungen der Bundesregierung (GIZ, Botschaften, Auswärtiges Amt). Ende Juni wird ein Bericht dazu veröffentlicht.
Stopp von illegalen Zwangsräumungen und Vertreibungen durch staatliche Stellen
Mit Blick auf die aktuelle Situation in Europa kritisiert der Zentralrat eine dramatische Entwicklung von gewaltsamen Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen gegen Roma in zahlreichen mittelost- und südosteuropäischen Ländern. Diese Vertreibungspolitik auf lokaler Ebene, die die betroffenen Familien in eine Situation der Perspektivlosigkeit abdrängt, ist einer der wesentlichen Gründe für die gegenwärtige Migration von Roma aus einer Reihe von Ländern Mittelost- und Südosteuropas nach Westeuropa. Die gegenwärtige Flüchtlingsdebatte, die teilweise völlig unverantwortlich von Politik und Medien auf dem Rücken der Minderheit ausgetragen wird, und die fast täglichen Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland zeigen uns wie brandgefährlich diese Situation ist.
Der Zentralrat initiierte und unterstützte 2015-2016 verschiedene Aktionen, um konkret Zwangsräumungen zu stoppen (Belgrad, Garmen), sowie wandte sich in Schreiben an Bundesministerien, EU Kommission und Vereinte Nationen. Im Oktober 2015 fand eine Anhörung im Europäischen Parlament statt, welche von 8 Mitgliedern des Europäischen Parlaments unterstützt wurde und aktuelle Fälle und Studien aus zahlreichen Ländern präsentierte. Der Zentralrat arbeitet diesbezüglich eng mit Amnesty International, dem Europäischen Roma Rights Centre, Open Society, ENAR und ERGO Netzwerk zusammen.
Das Recht auf Wohnen gehört zu den grundlegenden Menschenrechten. Es ist längst überfällig, dass auf europäischer Ebene endlich eine Einrichtung geschaffen wird, die Programme – insbesondere im Wohnbaubereich, aber wohlgemerkt nicht isoliert von Programmen zur Schaffung von Einkommen – zur Verbesserung der Lage von Roma durchführen kann, und zwar durch eigene Interventionen vor Ort, ohne auf die jeweiligen Bürokratien der einzelnen Staaten angewiesen zu sein. Solche Programme müssen langfristig angelegt sein, und sie müssen direkt von und mit Roma in den lokalen Gemeinschaften entwickelt werden. Neben der erforderlichen Partizipation hat dies den Vorteil, dass sich so an vielen Stellen die Möglichkeit bietet, ein Einkommen zu erzielen und sich so für den Arbeitsmarkt weiter zu qualifizieren. Wenn dies nicht geschieht, dann wird sich die Situation in den Herkunftsländern weiter verschärfen. Hierfür wird es erforderlich sein, dezidierte Strukturen aufzubauen, die die zur Verfügung stehenden Mittel auch ohne die direkte Beteiligung der jeweiligen Mitgliedsstaaten einsetzen können. Ein Beispiel dafür ist der Roma Education Funds im Bereich Bildung; ein ähnlich strukturierter Fonds für den Bereich Wohnen könnte, ausgestattet beispielsweise mit einem geringen Prozentsatz der nicht bei der Europäischen Kommission abgerufenen Mittel, direkt vor Ort programmatisch intervenieren. Obwohl grundsätzlich die meisten Roma-Organisationen darin übereinstimmen, dass die Verantwortung für die Verbesserung der Lebenssituation großer Teile der Roma-Bevölkerung bei den jeweiligen Regierungen liegen muss, ist inzwischen klargeworden, dass weder der politische Wille noch die tatsächlichen Möglichkeiten der einzelnen Länder ausreichen, um die in vielfältigen Strategien niedergelegten Initiativen tatsächlich umzusetzen. Die Initiative der Europäischen Kommission zur Festlegung nationaler Strategien zur Integration der Roma wurde deshalb vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma auch grundsätzlich begrüßt. Sie ist für die jeweiligen nationalen Minderheiten der Roma vor allem in den neuen Mitgliedsländern der Europäischen Union von großer Bedeutung. Es ist jedoch überfällig, dass an Stelle von papierreichen Strategien finanzielle Ressourcen eingesetzt werden, die gezielt die Wohn- und Einkommensmöglichkeiten vor Ort verbessern.
Rassismus in Wahlkämpfen
Im Rahmen der OSZE Konferenz organisierte der Zentralrat im September 2015 eine Veranstaltung zum Rassismus im Wahlkampf gegen Sinti und Roma. Basierend auf der deutschen Dokumentation des NPD Bundestagswahlkampfs im Jahr 2013, entsteht aktuell eine englischsprachige Publikation zum gleichen Thema. Dabei werden neben dem NPD Wahlkampf weitere Fallstudien von Wahlkampagnen in Ungarn, Slowakei, Spanien, Bulgarien, Rumänien und Tschechien vorgestellt. Die Publikation soll dazu dienen, den Antiziganismus im politischen-öffentlichen Leben stärker auf der europäischen Ebene zu thematisieren, insbesondere im Rahmen der Verpflichtungen des Europarats, der Europäischen Union und der OSZE.
Kulturelle Teilhabe: Europäisches Roma Institut für Kunst und Kultur
Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, ist Mitglied der Allianz zum Aufbau des Europäischen Roma Instituts für Kunst und Kultur. Das Institut soll mit Projekten in ganz Europa dazu beitragen, dass Vorurteile gegen Sinti und Roma abgebaut werden.
Europäischer Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma im Europäischen Parlament
Zum ersten Mal konnte der Zentralrat mit dem Dokumentationszentrum und der Manfred-Lautenschläger-Stiftung den Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma im Europäischen Parlament in Straßburg vergeben und dafür die Vizepräsidentin des Europaparlaments, MEP Ulrike Lunacek, gewinnen, sowie den Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland. Der Europäische Bürgerrechtspreis ging an Amnesty International, sowie ein Sonderpreis an die ungarische Filmemacherin Eszter Hajdú für ihren Film „Judgement in Hungary“ über die Morde an sechs Angehörigen der Roma-Minderheit in den Jahren 2008 bis 2009.
Europäische Kommission
Der Zentralrat fordert von der Europäischen Kommission den tief verankerten Antiziganismus, insbesondere die institutionelle Diskriminierung von Sinti und Roma bspw. im Bildungs- und Wohnbereich, und die soziale Ungerechtigkeit in Europa zu bekämpfen, um auf den Werten von Demokratie und Rechtsstaat allen Menschen ein Leben in Würde zu sichern.
Zahlreiche Generaldirektionen der Europäischen Kommission befassen sich mit der EU Politik in Bezug auf und für Roma, insbesondere das DG Justice and Consumers, DG Employment, DG EAC, DG NEAR, DG AGRI, DG HOME. Die Koordinationsstelle für die Umsetzung der EU Rahmenstrategie für nationale Roma Integrationsstrategien liegt in der GD Justiz in der Abteilung „Non discrimination policies and Roma coordination“.
Der Zentralrat verfolgt kontinuierlich und kritisch die Implementierung des EU Rahmens für nationale Roma Integrationsstrategien, welcher 2011 von der Europäischen Kommission und den Mitgliedsstaaten angenommen wurden, und nimmt regelmäßig an den Konsultationstreffen der EU Kommission mit der Zivilgesellschaft teil. Der Zentralrat setzt sich dafür ein, dass Antiziganismus als Querschnittsthema und strukturelle Ursache für die Ausgrenzung und Diskriminierung von Sinti und Roma bekämpft wird. Fünf Jahre nach der Annahme der EU Rahmenstrategie und der nationalen Integrationsstrategien sieht der Zentralrat kaum Fortschritte, während gleichzeitig Rechtsextremismus, Diskriminierung, Antiziganismus, und allgemein Rassismus und Nationalismus in Europa selbst in der Mitte der Gesellschaft eine neue Akzeptanz finden.
Forderungen und politische Handlungsstrategien:
- Ächtung und Bekämpfung von Antiziganismus: Entwicklung von Handlungsstrategien und operativen Programmen zur Bekämpfung von Antiziganismus;
- Entwicklung eines effektiven Monitoring- und Evaluationssystems zur Überprüfung der Umsetzung der EU Rahmenstrategie für die nationalen Roma Integrationsstrategien, u.a. Finanzierung von unabhängigen Monitoring-Strukturen der zivilgesellschaftlichen Organisationen;
- Stärkung der Zivilgesellschaft: Partizipation als gleichberechtigte Akteure in Policy-Prozessen, Finanzielle Förderung der europäischen Netzwerk;
- Europäische Fördertöpfe effektiv einsetzen zur Verbesserung der Situation von Sinti und Roma, Monitoring der Umsetzung und Ergebnisse.
Weitere Links und Dokumente:
Europäisches Parlament
Das Europäische Parlament bringt schon lange Zeit eine kritische Stimme in die europäischen politischen Debatten, zur Verteidigung der Menschenrechte von Sinti und Roma in Europa. Vor allem der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE Committee) beschäftigt sich mit der Situation von Sinti und Roma. Der Zentralrat arbeitet eng mit der „European Parliament Anti-Racism and Diversity Intergroup“ zusammen, die im Januar 2016 zum ersten Mal eingerichtet wurde und unter Leitung der schwedischen Abgeordneten Soraya Post auch eine Arbeitsgruppe zu Antiziganismus bildet.
Ein wichtiger Erfolg ist die am 15. April 2015 vom Europäischen Parlament angenommene Entschließung zur Anerkennung des Völkermords an über 500.000 Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten und deren Verbündete , sowie zur Anerkennung von Antiziganismus als spezifische Form des Rassismus und des 2. August als Europäischen Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma. Am 2. August wurden die letzten 2.897 Sinti und Roma im NS-Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet.
Zum ersten Mal organisierten zahlreiche (pro) Roma Organisationen mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments eine „Roma Woche“ am 4. bis 6. April 2016, wo in zahlreichen Veranstaltungen das Thema Antiziganismus diskutiert wurde. Nach der Verabschiedung der Resolution im April 2015 im Europäischen Parlament zur Anerkennung des Völkermords an Sinti und Roma, des 2. August als Roma Holocaust Gedenktag und zur Anerkennung von Antiziganismus als spezifische Form des Rassismus, ging es um die Frage, wie die Umsetzung stattfindet und welche Rolle das Parlament und politische Entscheidungsträger spielen sollen. Ein großer Erfolg war, dass die Leiter/innern der politischen Gruppen/Fraktionen, sowie über 30 Mitglieder des Parlaments aktiv an der Initiative beteiligt waren.
Weitere Links und Dokumente:
OSZE-ODIHR
Das OSZE-Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (engl. Abkürzung: ODIHR) ist weltweit eine der wichtigsten regionalen Menschrechtsinstitutionen. Das ODIHR hat seinen Sitz in Warschau (Polen) und ist in Europa, im Kaukasus, in Zentralasien und in Nordamerika tätig. Das Büro fördert demokratische Wahlen, Respekt für Menschenrechte, Toleranz und Nichtdiskriminierung, sowie Rechtstaatlichkeit. Das ODIHR ist die Menschenrechtsinstitution der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die OSZE ist eine zwischenstaatliche Organisation, die für Stabilität, Prosperität und Demokratie in ihren 57 Teilnehmerstaaten arbeitet.
Deutschland übernahm 2016 den Vorsitz der internationalen Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Während große internationale Konferenzen die schockierende Zunahme von Antisemitismus in Europa thematisieren, gab es bisher noch keine einzige international relevante Konferenz, die den gewaltbereiten Antiziganismus in der OSZE-Region zum Gegenstand gemacht hätte. Auch die europäischen Roma-Inklusionsstrategien ignorieren weitgehend die historischen und strukturellen Wurzeln des Antiziganismus, der die entscheidende Ursache für die desolate Lage von Roma in vielen Ländern der Europäischen Union ist.
Der Zentralrat startete im Sommer 2015 eine Initiative, damit das Auswärtigen Amt und die OSZE den Antiziganismus in Europa als Priorität in den deutschen Vorsitz aufnehmen. Deutschland kann eine führende Rolle einnehmen, um den Antiziganismus als spezifische Form des Rassismus anzuerkennen und in ganz Europa zu ächten. Eine hochrangige Konferenz zum Antiziganismus im Rahmen des deutschen OSZE-Vorsitzes wäre ein wichtiger Meilenstein für eine Ministerratserklärung und vor allen Dingen ein entscheidendes politisches Signal an die Mitgliedsstaaten der OSZE, so wie es die Berliner Konferenz mit ihrer Abschlusserklärung vom März 2014 für die Ächtung des Antisemitismus war. Eine solche Konferenz würde die Unterstützung der OSZE durch ODIHR und dessen Kontaktpunktes für Roma und Sinti Angelegenheiten und auch des Europarates haben.
Forderungen an die OSZE:
- Antiziganismus ebenso wie den Antisemitismus generell zu ächten. Antiziganismus ist nicht nur eine unmittelbare Bedrohung für Roma in der OSZE-Region, es ist eine Bedrohung für unsere Demokratie und unsere Wertegemeinschaft.
- Wir fordern die OSZE auf, Antiziganismus im Rahmen ihrer Wahlbeobachtungen zu dokumentieren und darauf mit ihren Institutionen zu reagieren.
- Ächtung und Bekämpfung von Antiziganismus: Entwicklung von Handlungsstrategien und operativen Programmen zur Bekämpfung von Antiziganismus; Monitoring von Antiziganismus durch die bestehenden OSZE-ODIHR Strukturen;
- Schließlich soll die OSZE die Mitgliedsstaaten auffordern, den entsprechenden internationalen Abkommen wie dem Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten Geltung zu verschaffen, das jede Diskriminierung aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit verbietet.
- Offizielle Anerkennung des Völkermords an Sinti und Roma durch den Europarat;
- Stärkung der Partizipation der Sinti und Roma Zivilgesellschaft;
Links
Europarat
Der Europarat ist die älteste und mit 47 Mitgliedsstaaten die größte internationale Organisation für Demokratie und Menschenrechte in Europa. Ein internationaler Meilenstein der Bürgerrechtsbewegung stellt das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarats dar, welches zur Anerkennung von Sinti und Roma als nationale Minderheit in Deutschland im Jahr 1997 führte, sowie die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen. Der Zentralrat evaluiert in der jährlichen Implementierungskonferenz die Umsetzung der Minderheitenrechte auf der Basis des Rahmenübereinkommens und der Sprachencharta.
Neben dem Europäischen Menschenrechtskommissar, Nils Muižnieks, gibt es den Sonderbeauftragten des Europarat-Generalsekretärs mit einer größeren Abteilung, die sich für die Verbesserung der Situation von Sinti und Roma einsetzen. Eine hohe Bedeutung hat auch der Europäische Menschenrechtsgerichtshof, der wegweisende Urteile gegen die Diskriminierung und Segregation von Sinti und Roma getroffen hat. Die Jugendabteilung des Europarats setzt in Zusammenarbeit mit Roma Jugendorganisationen einen „Roma Youth Action Plan“ um, der die Jugendstrukturen und das Empowerment von jungen Sinti und Roma stärkt, Multiplikator/innen weiterbildet und die Menschenrechtsbildung gegen Antiziganismus fördert.
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma informiert den Europarat regelmäßig über die menschenrechtliche Situation von Sinti und Roma. Der Generalsekretär des Europarats, Thorbjørn Jagland, hielt die Laudatio auf den Preisträger Amnesty International für den Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma, welcher am 13. April 2016 im Europäischen Parlament vergeben wurde. Zudem arbeitet der Zentralrat eng zusammen mit dem Europarat in einer Initiative zur Bekämpfung des Antiziganismus, sowie im Aufbau des Europäischen Roma Instituts für Kunst und Kultur.
Forderungen und Prioritäten:
- Antiziganismus ebenso wie den Antisemitismus generell zu ächten. Antiziganismus ist nicht nur eine unmittelbare Bedrohung für Roma in den Europarats Mitgliedsstaaten, es ist eine Bedrohung für unsere Demokratie und unsere Wertegemeinschaft.
- Wir fordern den Europarat auf, Antiziganismus im Rahmen aller Berichte zu Menschenrechte, Minderheiten und Rassismus zu dokumentieren und darauf mit ihren Institutionen zu reagieren.
- Ächtung und Bekämpfung von Antiziganismus: Entwicklung von Handlungsstrategien und operativen Programmen zur Bekämpfung von Antiziganismus; Monitoring von Antiziganismus durch die bestehenden Strukturen des Europarats, insbesondere durch den Menschenrechtskommissar und die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI);
- Offizielle Anerkennung des Völkermords an Sinti und Roma durch den Europarat;
- Zusammenarbeit im Aufbau des Europäischen Roma Instituts für Kunst und Kultur.
Weitere Links und Dokumente:
Internationale Holocaust Remembrance Alliance
Die Organisation „Internationale Allianz für Holocaust-Gedenken“ (IHRA) (International Holocaust Remembrance Alliance) ging 2013 aus der Vorgängerorganisation „Task Force für Internationale Kooperation bei Holocaust-Bildung, -Gedenken und -Forschung (ITF)“ die 1998 gegründet wurde, hervor. Der Auftrag der Organisation bezieht sich auf die „Declaration of the Stockholm International Forum on the Holocaust“. Das Ziel der ITF/IHRA ist die Unterstützung, Koordination und Mobilisation der politischen und sozialen Führungskräfte für die Aufklärung, Erinnerung und Forschung über den Holocaust auf nationalen wie auf der internationalen Ebene. Im Jahr 2007 wurde das Tätigkeitsfeld erweitert um den Völkermord an den Roma und Sinti, Völkermordprävention und den Kampf gegen Antisemitismus. Die IHRA hat zurzeit 31 Mitgliedsländer, 10 Beobachtende Länder und 7 permanente internationale Partner.
Seit vielen Jahren verfolgt der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma die Arbeit der International Holocaust Remembrance Alliance und beteiligt sich als Gast im Rahmen der Arbeitsgruppe zum Völkermord an Sinti und Roma. Seit 2016 ist der Zentralrat / Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma Mitglied in der deutschen IHRA Delegation.
Der Zentralrat begrüßt die Entwicklung in der IHRA, einen verstärkten Fokus auf den Völkermord an Sinti und Roma zu legen. Der Zentralrat setzt sich dafür ein, dass die Erforschung, das Gedenken und die Erinnerung an den Holocaust an Sinti und Roma mehr politische Aufmerksamkeit und Förderung erhalten. Es gibt noch viele Lücken in der historischen Aufarbeitung, insbesondere sind wissenschaftliche Gutachten zum Völkermord an Sinti und Roma im ehemaligen Jugoslawien und in Transnistrien nötig. Zum NS-Völkermord an Roma in besetzen Sowjetgebieten veröffentlichte Martin Holler (pdf) im Auftrag des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma ein viel beachtetes Gutachten im Jahr 2010.
Im Mai 2016 verabschiedete die IHRA Versammlung eine Resolution zur Annahme einer Arbeitsdefinition zu Antisemitismus. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma fordert die IHRA auf, den historisch tief in Europa verwurzelten Antiziganismus zu ächten und zu bekämpfen ebenso wie den Antisemitismus.
Ziele, Forderungen und Schwerpunkte:
- Offizielle Anerkennung des NS-Völkermords an Sinti und Roma durch die IHRA Versammlung;
- Eine IHRA Stellungnahme zur Anerkennung und Bekämpfung von Antiziganismus als spezifische Form des Rassismus: Entwicklung einer Arbeitsdefinition zu Antiziganismus;
- Angemessene Berücksichtigung des NS-Völkermords an Sinti und Roma in Lehrplänen, in Konferenzen und Weiterbildungen für Lehrer/innen und Multiplikator/innen, sowie in Bildungsmaterialien zur Holocaust und Menschenrechtsbildung;
- Politische Unterstützung gegenüber den Regierungen von Ungarn und Tschechien zur Erhaltung der gefährdeten und unwürdigen Gedenkorte in Komaróm und Lety u Pisku;
- Beseitigung der Schweinemast am Ort des NS-Arbeitslagers in „Lety u Pisku“ in Tschechien: An dem Ort des NS-Arbeitslagers „Lety u Pisku“ steht eine Schweinemast, die trotz massiver Proteste von Roma und nicht-Roma Organisationen seit Jahrzehnten nicht beseitigt wird, um ein würdiges Gedenken zu ermöglichen. Zentralratsvorsitzender Romani Rose nahm Ende Mai 2015 an einer Sitzung mit zahlreichen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren in Prag teil und forderte ein verantwortungsbewusstes Handeln der tschechischen Regierung.
- Förderung der historischen Aufarbeitung und wissenschaftlichen Erforschung des Völkermords an Sinti und Roma, insbesondere im ehemaligen Jugoslawien und in Transnistrien.
Relevante Links und Berichte zur Arbeit der IHRA:
Internationale Zivilgesellschaft